Lustige Kurzgeschichten

Schön, daß Sie da sind!

Gerne schreibe ich Kurzgechichten und stelle sie via Internet zu Verfügung. Viel Spaß beim Lesen.

Beate Biewer-Hellbrück

Inhaltsverzeichnis

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3. Vorwort

Alle Namen, Begegnungsorte und Sachverhalte dieser Geschichten sind frei erfunden. Sollten dennoch Ähnlichkeiten zu lebenden Personen erkennbar sein, ist dies nicht beabsichtigt.

Ich möchte allen danken, die mich ermuntert haben zu schreiben und schon vor Fertigstellung des Buches ihr Interesse an den Geschichten zeigten.

Inhaltsverzeichnis

4. Wer ist hier verrückt?

Sie erschrecken immer so. Wie niedlich sie doch sind, wenn sie Angst haben und zittern'', denkt Rolf. Dabei kichert er und oft redet er mit sich selbst wie zum Beispiel jetzt: ''Zweimal habt ihr mich schon weggesperrt. Aber jetzt bin ich wieder da und ihr Idioten müsst mich erst 'mal kriegen.'' Er lacht laut vor sich hin.

Rolf ist um die vierzig, dunkelhaarig und von einer sogenannten normalen Statur. Er arbeitet als Hausmeister. Er ist für einen Wohnblock mit siebzig Parteien zuständig. Rolf ist bei den Mietern sehr beliebt. Er ist zuverlässig und freundlich. Mit den meisten Leuten ist er per du. Mit einigen geht er gerne auch 'mal ein Bier trinken.

Vor allem ist er aber bei den Frauen sehr beliebt. Ja man könnte sagen, dass er eine erotische Anziehungskraft hat. Er macht den Frauen gerne Komplimente. Manchmal repariert er gerne 'mal etwas länger und besonders gründlich einen Abfluss oder eine Lampe, wenn er mit einer jüngeren attraktiven Frau alleine in der Wohnung ist. Anschließend bekommt er hie und da ein Tässchen Kaffee oder auch 'mal mehr angeboten.

Einen eigenartigen Humor hat er schon, wenn man für bare Münze nimmt, was die Leute so sagen. Er mag es, im Dunkeln plötzlich aufzutauchen, ohne vorher von der anderen Person gesehen zu werden; besonders bei weiblichen Wesen. Sie kriegen einen riesigen Schreck, wenn sie ihren Müll 'raustragen und er steht, wie aus dem Nichts aufgetaucht, hinter ihnen. Es macht ihm Spaß. Er hat richtig Freude daran. Dann setzt sein Kichern ein, was in lautes Lachen übergeht. Wenn die Mieter Rolf dann erkennen, lachen sie mit und sind erleichtert, dass er es ist. Sie tun ihm einfach den Gefallen und freuen sich mit ihm. Es ist ein Spiel. So richtig gefährlich findet ihn eigentlich niemand. Er tut ja nichts Böses, jedenfalls bis zum jetzigen Augenblick.

Rolf lebt alleine. Er hat keine feste Bezugsperson. Man kann sagen, er wird ab und zu 'mal mit jemandem gesehen, es sind Männer und Frauen. Zweimal schon ist er in einem Sanatorium gewesen. Das erste Mal mit zwölf, warum weiß keiner. Das zweite Mal mit zwanzig, als er sich fast zu Tode gesoffen hatte. Rolf ist schon über fünfzehn Jahre Hausmeister. Niemand weiß genau über ihn Bescheid, etwa welche Ausbildung er hat und solche Dinge? Von sich und seinem Leben erzählt er so gut wie nichts.

Als Hausmeister weiß Rolf so ziemlich genau, wann wer das Haus verlässt und nach Hause kommt. Er liebt die dunkle Jahreszeit. Wenn Anfang November gegen sechszehn Uhr schon die Dämmerung einsetzt, schleicht er sich zu den Containern, so wie er es heute tut. Schließlich muss er kontrollieren, ob alles seine Richtigkeit hat.

Pia aus dem ersten Stock kommt mit einer Tüte leerer Flaschen um sich ihrer zu entledigen. Eine Flasche nach der anderen klirrt in den Container. Da sagt Rolf: ''Hallo Pia, meine Schöne, schon Feierabend?'' Dabei kichert er. Pia erschreckt so, dass sie eine Flasche fast daneben wirft. ''Hallo Rolf. Du hast dich aber angeschlichen'', meint Pia. ''Hast du einen schönen Tag gehabt?'', will Rolf wissen und lacht jetzt laut. ''Na ja, geht so'', antwortet Pia und verschwindet im Haus.

Pia ist sehr schreckhaft. Das gefällt Rolf. Moni und Linda sind nicht so aus der Ruhe zu bringen. Da macht es keinen Spaß. Außerdem findet er Pia sehr anziehend. Sie ist groß, schlank und hat lange schwarze Haare. Sie ist Mitte zwanzig und wohnt noch nicht lange in diesem Haus. Sie arbeitet in einem Massagesalon in der Stadt, sagen die Leute.

Pia ist jetzt in ihrer Wohnung. Sie weiß nicht recht, was sie von Rolf halten soll? Sie findet ihn einerseits unheimlich, glaubt jedoch, dass er im Grunde harmlos ist. ''Eine ganz merkwürdige Mischung aus sich hingezogen fühlen und Angst einflößend'', denkt Pia. Sie empfindet ein gewisses Kribbeln, wenn sie ihm so im Dunkeln begegnet. Sie kann es nicht richtig einordnen. Sie wohnt alleine in der kleinen Zweizimmerwohnung und überlegt, wie es denn wohl wäre, wenn er sie aus heiterem Himmel im Hinterhof an einem Container oder in der Tiefgarage 'mal packen würde? Ob es zu Sex oder zu Gewalt käme? Oder zu beidem? Doch zu Gewalt sicher nicht. Er spielt nur. Er tut sicher nichts. Es ist wie bei den Hunden. Man darf keine Angst zeigen. Sie ist müde und geht ins Bett.

Am Abend darauf hat Pia Lust auf ein Glas Rotwein. Sie hat eine Kiste mit Rotweinflaschen in ihrem Keller stehen und will sich eine Flasche holen. Sie geht zu Fuß in den Keller. Es erscheint ihr unnötig, den Fahrstuhl zu benutzen, da sie ja nur ein Stockwerk höher wohnt. Sie macht das Licht an und geht durch den langen Gang, in dem sich außer ihrem noch weitere neunundsechzig Kellerverschläge befinden. Ihr Keller liegt in der hinteren Ecke rechts. Er ist vier Quadratmeter groß und mit Metallgitterverschlag versehen, wie alle anderen auch. Sie schließt das Vorhänge­schloss am Verschlag, der zu ihrem Keller führt, auf. Die Rotweinflaschen befinden sich in einer Holzkiste. Außer dieser Kiste hat sie noch Koffer, eine Liege und anderes Gerümpel da unten.

''Da müsste 'mal aufgeräumt werden'', denkt sie und will sich eine Flasche holen. Da steht er auch schon hinter ihr und hält ihr den Mund zu. ''Pia, nicht schreien! Ich bin es nur, der liebe gute Rolf'', flüstert er leise und sein berühmtes Kichern meldet sich. Pia bleibt fast das Herz stehen. Sie will sich jetzt schnell wieder fangen, denn es ist ja nur Rolf.

''Ein bisschen verrückt ist er ja schon'', denkt Pia. Rolf dreht Pia zu sich um und sieht ihr direkt in die Augen. Er küsst sie. Pia gefällt es. Sie erwidert ihn. Rolf drückt Pia an den Verschlag und bindet sie mit einer Schnur daran fest. Da es Pia für ein Spiel hält, wehrt sie sich nicht wirklich dagegen. Sie ist jetzt mit den Händen und den Füßen an das Metall gefesselt. Etwas zwiespältig zumute ist es ihr jetzt schon. Soll sie schreien oder nicht? Er knöpft ihre Bluse auf, dann küsst er ihre Brüste, jetzt geht er tiefer {…} .

Pia gefällt es. So hat sie es noch nie erlebt. Weder so ein Gefühl, noch so eine Praktik. Rolf flüstert und kichert dabei: ''Soll ich aufhören?'' ''Bloß nicht'', stöhnt Pia. Etwas später sitzen beide in Pias Wohnung und trinken ein gutes Glas Rotwein zusammen. Von diesem Abend an schleicht auch Pia im Dunkeln an solchen Orten herum, an denen sie hofft, Rolf zu finden. Pia liebt dieses Spiel, wie es Rolf mit ihr treibt. Es ist für sie ein Kick, der ihr das Leben versüßt. Sie fühlt sich als seine Gefährtin.

Sie fährt mit ihrem Auto in die Tiefgarage. Es ist zwanzig Uhr. Sie kommt vom Einkaufen und will für Moni und Linda kochen. Die drei Frauen haben sich angefreundet und unternehmen ab und zu etwas zusammen. Pia stellt ihr Auto in ihrer Box in der Garage ab. Sie holt die Einkaufstüten aus dem Kofferraum und will die Garage verlassen. Plötzlich geht das Licht aus noch bevor sie den Ausgang zum Treppenhaus erreicht. Pia denkt, es handelt sich sicher um einen Stromausfall. Sie geht zum Ausgang und findet ihn verschlossen vor. Das ist komisch. Normalerweise ist er immer offen, deshalb hat sie den Schlüssel zu dieser Tür nie bei sich.

Sie entschließt sich den Weg durch das Garagentor zu­rück nach draußen zu nehmen und von dort aus ins Haus zu gehen. Das Tor lässt sich nicht öffnen. ''Da spinnt die Elektronik 'mal wieder'', denkt Pia. Sie will in ihrer Handtasche nach ihrem Handy suchen, um Rolf anzurufen. Es ist ja sein Job, sich darum zu kümmern, dass diese Dinge funktionieren.

Da ertönt eine Stimme: ''Ich bin schon da, meine liebe Pia. Ich habe dafür gesorgt, dass wir hier ungestört sind.'' Sein Kichern ist zu hören und Pia kichert mit. Er nimmt ihr die Tüten ab und stellt sie in eine Ecke. ''Komm, meine Schöne. Ich habe uns was mitgebracht, ein Spielzeug.'' Er lacht laut und Pia lacht mit. Jetzt hält er ein Messer hoch. ''Sieh nur wie es blinkt. Im Dunkeln ist die Klinge noch schön zu erkennen.''

Pia sieht das Messer vor sich. Er lässt sich wirklich immer was Neues einfallen. Mann, ist das ein Kick. Es kann ja niemand kommen. Er hat an alles gedacht. ''Zieh' dich aus, mach' schon!'', sagt Rolf. Er steht vor ihr, hält das Messer in der rechten Hand und hat die Hose offen. Das Messer richtet er nicht auf Pia. Er hält es hoch wie einen Gegenstand, den man bewundern soll. Pia fühlt sich nicht wirklich bedroht. ''Er wird nie zustechen'', denkt sie. Aber wie weit wird dieses Spiel gehen und wie lange wird es ihr gefallen? Rolf macht es dieses Mal besonders Spaß, da im heutigen Abend eine Steigerung gegenüber zu seinem sonstigen Handeln liegt.

''Gefällt dir mein Messer? Sieh es dir nur an! Es hat noch nie Blut gesehen. Wir könnten es einweihen, wenn du willst? Ich werde es 'mal an deinen Körper halten. Dann spürst du seine Temperatur. Komm, sei nicht so zimperlich! Ich tue dir nichts'', flüstert er und kichert. Dabei ist ihm inzwischen nicht mehr ganz klar, wie weit er das Spiel hier noch ausdehnen will. Hat er noch die Kontrolle über die Sache? Pia kichert mit. Sie empfindet das Messer als sehr kalt, als er es ihr auf ihren Hintern hält. Sie hat Berührung mit der Klinge, hört sein Kichern, stimmt mit ein und ist erregt. Sie ist sich allerdings in diesem Moment auch nicht mehr bewusst, ob sie wirklich noch in Sicherheit ist. ''Bin ich eigentlich verrückt? Ich bin kurz vorm Durchdrehen'', denkt er. ''Der Nervenkitzel ist kaum noch auszuhalten. Ich werde wahnsinnig'', denkt sie.

Es ist sechs Uhr morgens. Der Wecker klingelt. ''Mist'', denke ich, ''gerne hätte ich gewusst, wie dieser Traum zu Ende gegangen wäre?''

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5. Unser Lehrer Rund

Er sieht nicht gut aus'', flüstert Birgit, die neben mir sitzt, mir leise ins Ohr. ''Was ihn wohl so fertig macht?'' Wir befinden uns in der Wirtschaftsschule. Herr Rund unterrichtet uns in Betriebswirtschaftslehre. Der Unterricht findet statt, indem er uns ausschließlich aus einem Fachbuch vorliest, was ihm soeben auf den Boden fällt.

Petrus, ein Mitschüler aus der ersten Reihe, hebt das Buch auf. Herr Rund ist um die fünfzig, hat einen kleinen Bauch und das Haar, was ihm noch geblieben ist, ist braun. Er ist ein freundlicher Lehrer, der stets darum bemüht ist, dass alle Schüler zu guten Noten kommen.

Herr Rund teilt uns mit: ''Demnächst ist wieder eine Klassenarbeit fällig. Ich diktiere Ihnen die Fragen dazu.'' Er hält das Fachbuch mit zittrigen Händen. Vor seinem Buch steht eine Thermoskanne. Wir nehmen an, dass Tee drin ist. Er scheint eine schwere Krankheit zu haben. Aber selbstverständlich traut sich niemand, ihn daraufhin anzusprechen. Eigenartig finden wir es jedoch, dass er immer zuerst das Fenster öffnet, wenn er in die Klasse kommt, egal wie kalt es draußen ist oder unabhängig davon, ob der Raum gerade erst gelüftet wurde. Er hat einen hohen Bedarf an frischem Sauerstoff.

Eine Woche später schreiben wir die Klassenarbeit mit den uns bekannten Fragen, die in der Parallelklasse ganz genauso geschrieben wird. Der Notenspiegel zeigt, wie zu erwarten, fast nur Einsen. Es sind ein paar Zweien dabei. Das sind, wie immer, die Ausnahmen. Lehrer Rund ist wirklich sehr nett. Ab und zu erzählt er sogar einen Witz, etwas von seiner Heimatstadt oder seiner Familie. Diese Themen beherrscht er sogar, ohne dass er sie irgendwo ablesen muss.

Herr Rund nimmt wieder einen Schluck aus seinem Becher neben seiner Thermoskanne, die in keiner Unterrichtsstunde fehlen darf. Er wird wohl eine Krankheit haben, bei der man viel Flüssigkeit zu sich nehmen muss. Er lässt sich aber nie krank schreiben, tapfer.

Petrus meldet sich und fragt: ''Herr Rund hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir ebenfalls aus meiner Thermoskanne einen Becher einschenken würde?'' Darauf hin schaut ihn Herr Rund etwas verwundert an und meint: ''Was haben Sie denn in Ihrer Kanne drin?'' Petrus lacht ihn an und erwidert: ''Das gleiche wie Sie, Herr Rund.'' Herr Rund: ''Wenn das so ist, dann lassen Sie die Kanne bitte zu!''

Einige Jahre später treffe ich meine Mitschülerin Birgit. Wir plaudern über alte Zeiten und kommen auf Herrn Rund zu sprechen. Birgit berichtet traurig: ''Herr Rund ist derzeit nicht an der Schule: er ist auf Entzug.''

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6. Gift und Galle

Heute Abend kann es etwas später werden, Liebling. Du musst nicht mit dem Essen auf mich warten'', meint Paul. Er trägt einen Nadel­strei­fen­an­zug, schnappt sich seinen Aktenkoffer und geht zur Tür. Er ist ein großer, schlanker, gut aussehender Banker, der seine Arbeit liebt.

Die schöne attraktive Tina verabschiedet sich von ihrem Mann. Sie macht sich ebenfalls auf den Weg. Sie ist Grundschullehrerin. An manchen Tagen geht ihr das Geschrei anderer Leute Kinder dermaßen auf die Nerven, dass sie sich wünscht, sie hätte etwas anderes studiert. Zum Glück ist heute Freitag und das Wochenende liegt vor ihr.

Paul wird erst in der Nacht kommen. So ehrgeizig wie er ist, wird er eines Tages einen Herzinfarkt bekommen, wenn er nicht bald kürzer tritt, sorgt sich Tina. Zugegeben Paul sieht für seine fast Vierzig immer noch recht passabel aus. Doch manchmal fragt sie sich, ob er mehr mit seiner Arbeit verheiratet ist als mit ihr?

''Es ist doch immer wieder das alte Lied'', denkt sie sich. ''Wir sind jetzt fünfzehn Jahre verheiratet. Mit fünfund­drei­ßig Jahren habe ich nicht mehr viel Zeit, um mich für ein eigenes Kind zu entscheiden.'' Bis jetzt ist ihr Leben ausgefüllt, so dass ein Kind kein Thema für sie ist. Aber in letzter Zeit empfindet sie manchmal eine Leere, hauptsächlich wenn Paul so viele Überstunden macht.

Tina sitzt in ihrem Arbeitszimmer und korrigiert Diktate. Momentan unterrichtet sie die dritte Klasse, fast alle Fächer. Nur Sport und Religion hat sie nicht.

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist Hans Dampf. Sein Name ist bei ihm Programm: er ist 'Hans Dampf in allen Gassen'. Es ist bekannt, dass er des öfteren Verhält­nis­se mit verheirateten Frauen hat; er selbst macht kein Geheimnis daraus. Das stört Tina nicht, denn sie erwartet von ihm nichts. Für sie ist er ein Zeitvertreib. Er ist ganz das Gegenteil von Paul mit seinen langen Haaren und seinen Jeans. Außerdem trinkt er im Gegensatz zu ihrem Mann jede Menge Alkohol. ''Ja Hans, ich koche etwas. Wir werden uns einen schönen Abend machen. Paul kommt erst spät. Bis dann.'' Sie verabschieden sich.

Hans Dampf fährt mit seinem Wagen in die Baumstraße. Er will mit Ralf Gift reden. Das Gespräch mit Mark Galle wird er sich dann für Montag vornehmen. Hans ist Streitschlichter. Er hat sich nach seinem Soziologiestudium auf Vermittlung bei Streitigkeiten (Familie und Sonstiges) spezialisiert. In den meisten Fällen, die er annimmt, handelt es sich jedoch um Krach in der Nachbarschaft.

Als Hans die Baumstraße wieder verlässt, denkt er an Gift, der absolut darauf besteht, dass seine Garageneinfahrt frei bleibt, obwohl er gar kein Auto besitzt. ''Er könnte ja 'mal Besuch bekommen, der sein Auto in seiner Einfahrt parken möchte. Außerdem sei es sein gutes Recht und wenn er das erst 'mal anfangen würde, wo käme er da hin?

Sein Nachbar Mark Galle sei außerdem unfreundlich. Hinzu käme, dass er im Winter immer den Schnee in seinen Garten schaufele anstatt in seinen eigenen.'' Aber jetzt will Hans nicht mehr an Ralf Gift denken und erst mal zu Tina fahren. Er fährt zu ihr. ''Paul ist heute Abend nicht da'', turtelt Tina. Doch Hans schießt lediglich durch den Kopf: '' Wer zum Teufel ist eigentlich Paul? Was habe ich mit Paul zu tun? Warum sollte ich mir über ihn Gedanken machen? Was scheren mich, Hans Dampf, irgendwelche Pauls?'' Warum sollte er auf einen Koitus verzichten, etwa für einen Paul, der bislang nichts für ihn getan hat?

Eine neue Arbeitswoche beginnt. Er ist auf dem Weg zu Mark Galle, um sich seine Version anzuhören. Wenn es stimmt, was Gift sagt, so müsste da doch leicht ein Kompromiss zu finden sein.

Von Galle erfährt Hans, dass Gift sich nicht so anstellen soll bezüglich seiner Einfahrt. ''Er könne Bescheid geben, wenn er Besuch bekäme. Dann würde er sein Auto wegfahren. Er habe keine Einfahrt, da er nur ein kleines Grundstück besäße, einen großen Kombi fahre und schlecht gehen könne. Den Schnee mache er nie auf das Nachbargrundstück. Das sei eine Lüge. Aber Gift befülle seine Mülltonne. Neulich im Dunkeln habe er das gesehen.''

Ein Termin wird ausgemacht, an dem sich Hans Dampf mit Ralf Gift und Mark Galle trifft. Wegen des schönen Wetters findet diese Unterhaltung draußen vor Gifts Garageneinfahrt statt. Hier handelt es sich um zwei alte Rentner, die einfach zu viel Zeit zum Streiten haben. ''Mir kann das nur recht sein'', denkt Hans.

Nach anfänglichem verbalen Schlagaustausch gelingt es ihm, dass sich die Parteien darauf einigen, dass Gift Galle informiert, wenn er die Einfahrt zu seinen Zwecken benötigt und Galle sie dann unverzüglich freimacht. Da beide Herren alleinstehend sind, dürfte diese Absprache nicht allzu schwer einzuhalten sein. Den Schnee möge jeder in seinen eigenen Garten machen.

Daraufhin argumentiert Galle, dass er ja nur ein kleines Grund­stück habe. Hans räumt ein, dass auf eine kleinere Fläche auch weniger Schnee fällt. Das sieht Galle ein. Hinsichtlich des Mülls sei es angebracht, den Nachbarn zu fragen, ob man in seiner Tonne noch was unterbringen dürfe. Am Schluss sind die Parteien sich einig und teilen sich die Kosten des Schlichters. Gift und Galle reichen sich die Hände und sie verabschieden sich.

Hans und Tina haben 'mal wieder einen schönen Abend, wäh­rend Paul, ihrer Meinung nach, Über­stun­den macht. Fröhlich vor sich hin trällernd verlässt Hans das Haus von Tina und Paul Hörner. Er steht vor seinem Auto und ist im Begriff einzusteigen, da landet plötzlich eine Faust in seinem Gesicht.

Der Schlag kommt zu überraschend, er kann nicht reagieren. Sekunden später nimmt er wahr, dass Blut aus seinem Gesicht auf seine Jacke tropft. Hans Dampf sieht sich um. In der Dunkelheit kann er nur einen Schatten erkennen, der soeben in derselben Haustür verschwindet, wo er gerade heraus gekommen ist. Ihm ist blitzartig klar, dass das wohl Paul war. Nichts wie weg hier, schießt es ihm durch den Kopf. ''Jetzt bloß nicht an die Schmerzen denken'', geht es weiter in ihm vor.

Nach zehn Minuten ist er zu Hause. Er wischt sich das Blut ab und atmet tief durch. Zuerst 'mal will er es mit einem Kühlele­ment probieren, welches er sich auf das rechte Auge legt. ''Es wird schon wieder'', denkt er sich. So ein Mist, dass der Idiot auch so zuschlagen muss.

Die Sache darf auf keinen Fall an die große Glocke. Er als Schlichter kann sich dies nicht leisten. Zur Not muss er ein paar Termine verschieben, bis sein Gesicht wieder vorzeigbar ist. Doch wenn er ehrlich ist, hätte er es genauso getan.

Und eines ist auf jeden Fall gewiss:

Hans Dampf weiß jetzt,

was Paul ihm getan

und wozu ein Gehörnter fähig ist!

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7. Falsches Mitleid

Nimm das Geld nur! Du brauchst es doch'', sagt Heinrich und drückt seiner Enkelin zweihundert Euro in die Hand. ''Danke, du bist der beste Opa, den man haben kann'', meint Lea. Für die nächsten zwei Wochen hat sie jetzt wieder Geld. Lea ist mittlerweile dreißig, sehr hübsch, ab und zu single (zwischen ihren Männerbekanntschaf­ten) und beruflich läuft es ähnlich chaotisch.

Als ungelernte Kraft geht sie gelegentlich Jobs nach, die sehr schlecht bezahlt werden und das nur so lange, wie es ihr Spaß macht. Sie wohnt mit ihrem pubertierenden Sohn Leo im Haus ihres Großvaters. Dort hat sie sich im Keller zwei Räume eingerichtet, die sie notdürftig sauber hält. Leos Vater ist unbekannt, denn Lea hatte in ihren besten Zeiten mehrere Freunde nebeneinander. Von einigen ihrer Sexualpartner weiß sie nicht einmal mehr die Namen. Wäre sie doch nicht immer so zugekifft gewesen. Ihre Eltern haben sich nie um sie gekümmert. Ihren Vater kennt sie gar nicht und ihre Mutter ist unbekannt verzogen, als Lea fünfzehn war.

Opa Heinrich, der Vater ihrer Mutter, sorgt sich um sie, so gut er eben kann. Er unterstützt sie finanziell. Er ist inzwischen achtzig, aber körperlich und geistig noch sehr fit. Lea bringt ihren Opa jeden Sonntag zur Kirche.

Heinrich mag den neuen Pfarrer nicht. Er ist ihm zu modern. Der gute alte Pfarrer Demut, der hatte noch wert auf alte Bräuche gelegt. Zu ihm ging Heinrich alle vier Wochen zur Beichte. Ja, bei ihm fühlte man sich gut aufgehoben. Er brachte die Leute auf den richtigen Weg. Er war ein Muster an Vorbild. Vor ihm hatte man Respekt.

Sie hatten ihn damals versetzt. Das tut Heinrich heute noch leid, wenn er daran denkt. Niemand im Dorf weiß etwas darüber. Dabei war er noch gar nicht so alt. Dreißig Jahre ist es her. Aber Heinrich ist gut katholisch und sehr gläubig. Er betet regelmäßig, Gott möge Lea und Leo beschützen vor der bösen Welt.

Vor allem macht Heinrich sich Sorgen, wenn er 'mal nicht mehr ist. Leo ist jetzt vierzehn, also fast halb so alt wie seine Mutter. Er bringt seinen Ur-Opa ab und zu zur Sonntagsmesse, wenn seine Mutter keine Lust dazu hat oder noch zu besoffen vom Abend davor ist. Dafür bekommt er von ihm zwanzig Euro. Bleibt er die ganze Messe bei ihm, lässt Heinrich fünfzig Mäuse springen. So ist Leo ein fleißiger Kirchgänger geworden.

''Warum gibst du Lea immer so viel Geld, Vater? Sie könnte sich 'mal einen Job suchen. Der Junge ist nicht mehr so klein, als dass ihr nicht zugemutet werden könnte zu arbeiten'', so redet sich Erna in Rage. Erna ist Leas Tante. Heinrichs jüngere Tochter.

Heinrich ist seit zwanzig Jahren Witwer. Leas Mutter, Anni, ist zwei Jahre älter als Erna. Erna wohnt bei ihrem Vater und führt ihm den Haushalt. Heinrich hat Mitleid mit Lea und verteidigt sie: ''Du weißt doch, dass sie außer uns niemanden hat. Das arme Kind. Sie hat ihre Tätigkeit als Kellnerin eben nicht gemocht. Das liegt nicht jedem.''

''Meinst du mir liegt es, euch jeden Tag den Dreck weg zu machen, zu kochen und dergleichen? Im Haushalt betä­tigt sie sich auch nicht. Sie setzt sich immer nur hin, isst, was ich zubereite, und meckert noch dazu'', so Erna.

Erna ist eine kleine rundliche Frau mit braunen Locken um die fünfzig. Sie schmeißt den ganzen Laden, bezahlt Rechnungen, fährt Heinrich zum Arzt und erledigt seine Post. Nur zur Kirche bringt Erna ihren Vater nicht. Seit es Pfarrer Demut in ihrem Dorf nicht mehr gibt, meidet sie den Gottesdienst. Vor ihm hatte sie Hochachtung.

''Sie sorgt sich nicht einmal um Leo. Wie auch, sie bringt selbst nichts auf die Reihe'', ereifert sich Erna weiter. ''Sei nicht so hart mit ihr! Sie hatte eine bittere Kindheit'', räumt Heinrich ein.'' ''Das musst du Anni erzählen! Sicher hat sie einen Dummen gefunden und ihren Namen geändert. Das ist ganz gut so, sonst könnten wir sie auch noch durchfüttern. Schließlich arbeite ich ja auch noch.''

Erna arbeitet zwanzig Stunden wöchentlich als Altenpflegerin im Altenheim zwei Orte weiter. ''Lea weiß nicht einmal den Namen ihres Vaters. Das muss man sich vorstellen. Wie lange will sie noch da unten im Keller hausen? Und was soll aus Leo werden? Aber ich sage schon gar nichts mehr. Das regt mich alles viel zu sehr auf.'' ''Ich werde dieses faule Stück hinauswerfen, wenn Vater nicht mehr ist, oder ich werde ausziehen. Soll sie 'mal sehen, wer das dann alles bezahlt. Noch zu dumm, um sich die Alimente für ihre Kinder zahlen zu lassen. Die Tochter gerät ganz nach der Mutter. Aber ich will Vater nicht weiter aufregen. Die Situation ist bescheiden genug'', denkt Erna.

Wenn das Pfarrer Demut noch mitbekäme, wie es bei uns zugeht? Man müsste sich glatt schämen. Wie gut, dass er das nicht mehr miterlebt. ''Mama kannst du mir Geld geben? Meine Inliner sind kaputt?'', fragt Leo. ''Ich bin blank. Wo soll ich es hernehmen? Du weißt, dass ich momentan keinen Job habe'', so Lea. ''Das 'momentan' wärt aber schon sehr lange.'' ''Jetzt werd' nicht frech!'' ''Meine Freunde haben alle viel bessere Sachen als ich. Übrigens weiß ich, wo Ur-Opa sein Geld liegen hat. Der braucht es doch sowieso nicht. Der stirbt bald.'' ''Hör bloß auf. Ich hoffe nur, dass die ganze Scheiße für uns dann nicht noch schlimmer wird.''

Eigentlich hat Leo nicht ganz unrecht. Der Alte merkt es doch nicht, wenn ich ihn um ein paar Scheinchen erleichtere. Mit diesen Gedanken schleicht sich Lea in die obere Etage zum Schrank, in dem Heinrich sein Bargeld aufbewahrt. Da von Erna weit und breit nichts zu hören und zu sehen ist und Heinrich sein Mittagsschläfchen hält, fühlt sich Lea sicher, nicht ertappt zu werden, wenn sie sich an Heinrichs Geld bedient. Sie öffnet die Schublade, in der sich ein paar Scheinchen befinden und nimmt dreihundert Euro an sich.

Als sie die Schublade wieder schließen will, hört sie plötz­lich eine Stimme hinter sich kreischen: ''Leg' das sofort hin! Du Diebin. Das sage ich Vater, dass du ihn beklaust.'' Lea sieht Erna an und schreit zurück: ''Der braucht überhaupt nicht so viel Geld und was ist schon dabei. Dich alte Hexe geht das gar nichts an.'' Jetzt reißt Erna der Geduldsfaden. Sie holt aus und gibt Lea eine Ohrfeige. ''Das, was du genommen hast, legst du sofort zurück! Verschwinde aus der Wohnung, sonst passiert ein Unglück!'' Erna reißt Lea das Diebesgut aus der Hand und legt es zurück an seinen Platz. Heinrich kommt ins Zimmer: ''Was ist hier los? Könnt ihr euch nicht streiten, wenn ich meinen Mittagsschlaf beendet habe?''

''Deine Enkelin beklaut dich. Ich habe sie eben erwischt, wie sie {…} '', und Erna berichtet ihrem Vater von diesem Vorfall. Heinrich sagt dazu nichts. Erna beobachtet ihn, wie er mit gesenktem Blick umherläuft, sich in seinen Schaukelstuhl setzt und den Rosenkranz betet. Sie schaut ihn fassungslos an und meint: ''Sag' 'mal, bin ich hier im Irrenhaus?''

Eine Stunde später hält vor der Tür ein Taxi. Erna beobachtet wie eine Frau ihres Alters aussteigt. Jetzt sieht sie, dass es sich dabei um ihre ältere Schwester Anni handelt. Sie hat sich kaum verändert. Immer noch die blonden Locken, die auch Lea und Leo von ihr geerbt haben. Ein Herr, der soeben die Taxirechnung bezahlt, steigt ebenfalls aus. Erna erkennt mit Erstaunen, dass es sich um Pfarrer Detlef Demut handelt.

Der Fahrer lädt jetzt fünf Koffer aus dem Wagen und stellt sie vor Heinrichs Tür ab. Was hat das zu bedeuten? Hat der gute Pfarrer Demut unsere Anni irgendwo aufgelesen und sich ihrer angenommen? Diese Fragen schießen Erna durch den Kopf.

Heinrich tritt zu Erna ans Fenster. ''Willst du nicht aufmachen? Der Herr schickt mir meine Anni wieder. Pfarrer Demut begleitet sie. Sie hat einen wahrhaft guten Schutzengel. Gott möge ihn segnen'', freut sich der alte Herr über seine verlorene Tochter. Erna, die inzwischen die Tür geöffnet hat, begrüßt die beiden etwas verdutzt und ist ihnen dabei behilflich, die Koffer ins Haus zu tragen.

Während Heinrich seine Tochter mit Tränen in den Augen Willkommen heißt und sich bei dem Pfarrer für seine Fürsorge bedanken will, erscheint Leo auf der Bildfläche. ''Wer sind diese Leute hier?'', flüstert er zu Erna gewandt. ''Ja mein Junge, das ist deine Oma. Das ist für uns alle eine Überraschung und der Herr ist unser ehemaliger Pfarrer, Herr Demut. Ein feiner Mensch.''

Jetzt wird der Pfarrer etwas verlegen, der neben Anni steht und sie um zwei Köpfe überragt. ''Darf ich sie zu einem Kaffee einladen'', fordert Heinrich Pfarrer Demut auf. ''Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Schade, dass sie uns verlassen haben. Erna hat Kuchen gebacken. Leo, ruf' deine Mutter! Wir sind so eine nette Runde. Endlich ist es 'mal wieder so richtig gemütlich.''

Leo verlässt das Zimmer, um zu tun, was ihm sein Ur-Opa aufgetragen hat. Heinrich und der Pfarrer sitzen am Tisch während Anni Erna beim Tischdecken behilflich ist. Heinrich wendet sich an den Pfarrer: ''Nun erzählen sie doch, wo haben sie meine Anni gefunden und was haben sie all die Jahre gemacht?'' ''Lassen sie uns warten, bis alle versammelt sind. Sie werden alles erfahren. Wir haben dreißig Jahre geschwiegen.'' Heinrich schaut sein Gesprächspartner etwas irritiert an. Da erscheint Leo mit seiner Mutter. ''Pfarrer Demut, das ist Lea. Sie ist Annis Tochter. Lea, Pfarrer Demut, unser guter alter Pfarrer. Ja, das muss Ihnen doch nicht peinlich sein. Man muss die Dinge beim Namen nennen. Jetzt sind wir vollzählig.''

Pfarrer Demut hat einen roten Kopf bekommen. Er stellt fest, dass es gar nicht so einfach ist, mit dieser Geschichte. Erna schaut den Pfarrer an und meint: ''Ist ihnen nicht wohl? Sollen wir ein Fenster öffnen?'' Er verneint. Im Raum herrscht Schweigen. Wie soll er beginnen und die richtigen Worte finden?

Da fragt Anni ihren Vater, ob sie bei ihm einziehen könne? Während Erna wenig Begeisterung zeigt, ist Heinrich sehr erfreut und bietet ihr an, aus dem Keller für sich, ihre Tochter und ihren Enkel eine Einliegerwohnung zu machen, die er bezahlen will. Darüber freut sich nicht nur Anni, sondern auch Lea und Leo. Sie kommen ins Plaudern und planen, wie alles gemacht werden soll.

''Noch ein Stück Kuchen, Herr Pfarrer?'', bietet Erna dem Gast an. ''Und noch etwas Kaffee?'' Der Pfarrer nimmt beides dankend an. So kann er Zeit gewinnen. Soll er etwa sagen, Leo, ich bin dein Opa oder Lea, ich bin dein Vater, oder damit, dass Anni ihm gefolgt ist und seine Haushälterin zu werden? Und das vor fünfzehn Jahren, als er von der Existenz von Lea bereits wusste.

Wie werden sie reagieren? Er bringt es nicht über's Herz die Menschen so zu enttäuschen. Wenn sie erst erfahren, dass er vor hat in Zukunft mit seinem Freund zusammen zu leben. Es schmerzt ihn alles so. Er muss nach einer anderen Lösung suchen. Es tut ihm alles so furchtbar leid.

Nach dem Kaffee stellt Heinrich den Schnaps auf den Tisch. Gemeinsam mit dem Pfarrer leert er zwei Flaschen. Jetzt hat der Pfarrer Mut gefasst. Er bittet Anni, einen kurzen Augenblick mit ihr allein reden zu dürfen. Sie gehen in den Garten, wo sie selbst von der neugierigen Erna unbeobachtet sind. Dort erklärt ihr Pfarrer Demut seine Sorge bezüglich ihrer gemeinsamen Geschichte und bittet Anni weiterhin zu schweigen. Er bekundet nochmals, wie leid ihm das alles täte und, damit das Schweigen etwas leichter fällt, drückt er Anni ein paar Geldscheine in die Hand.

Anni nimmt das Geld dankend an und beschließt, so lange den Mund zu halten, bis der hoch anständige ehrenwerte Herr Pfarrer, Detlef Demut, das Haus ihres Vaters verlässt. Danach wird sie es nur Erna erzählen. Dann wird sie weiter schweigen, denn ihre geschwätzige Schwester wird in Windeseile diese Geschichte im Dorf bekannt machen.

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8. Mitteilungsbedürfnis

Kurz bevor ich das Haus verlassen will, klingelt mein Telefon. Ich hebe ab und melde mich. Am anderen Ende legt Martha los: ''Ich war eben bei meinem Hausarzt. Heute Mittag soll ich wieder vorbei schauen. Denn dann hätte er Zeit, nur für mich. Meinen Hausarzt besuche ich regelmäßig alle vierzehn Tage. Mit ihm kann ich über alles reden. Er gibt mir auch immer gute Tipps. Er meinte, ich solle ruhig 'mal ein paar Fachärzte zu Rate ziehen, die ihm dann einen Arztbrief zukommen lassen würden. Das habe ich befolgt.''

''Du Martha sei nicht böse, aber ich bekomme heute noch Besuch'', setze ich an, komme aber nicht weiter. Martha holt weiter aus: ''Letzte Woche war ich beim Zahnarzt wegen meiner Prothese, die ich seit einiger Zeit trage. Ich hatte Druckstellen im Mund und Probleme mit meinem Zahnfleisch. Ich leide immer noch. Der Zahnarzt schickt zwar keinen Bericht an den Hausarzt, aber das war kein Zustand.''

''Moment mal!'' Weiter komme ich wieder nicht mit meinem Satz. ''Danach hatte ich einen Termin beim Augenarzt. Meine Brille ist mir hingefallen. Ich brauchte eine neue. Die zwei Ärzte sind in einem Haus, so dass ich diese Termine direkt hintereinander wahrnehmen konnte. Außerdem befindet sich in dem selben Gebäude noch ein Frauenarzt, zu dem ich immer gehe. Da habe ich drei Tage vorher die Krebsvorsorgeuntersuchung machen lassen. Gleich um die Ecke ist ein sehr guter HNO-Arzt.''

''Entschuldige Martha'' Die Zeit läuft mir davon, stelle ich mit einem Blick zur Uhr fest. ''Ein Hörtest war schon lange überfällig. Ich bin schließlich über vierzig und da weiß man ja nie? In der Innenstadt hat sich jetzt ein Neurologe niedergelassen. Vor drei Wochen war ich bei ihm in der Röhre. Wenn man Alzheimer früh genug erkennt, kann man mit Medikamenten diese Krankheit aufhalten.''

Martha rattert weiter ohne Punkt und Komma. So ist sie halt. ''Vor zwei Wochen habe ich mir eine Darmspiegelung machen lassen. Das ist gar nicht so schlimm. Beim Orthopäden bin ich auch schon gewesen, denn im linken Bein habe ich ein Ziehen. Außerdem tut mir das Kreuz weh. Diese Beschwerden sind noch da. Zum Hautarzt musste ich auch. Am Arm habe ich so eine rote Stelle, die juckt wie der Teufel.''

Wann ist sie endlich fertig, denke ich? Ich will sie ja nicht verärgern. So ist sie ja ganz nett. Nur muss ich noch ein paar Lebensmittel kaufen. Ja Tante Barbara will 'mal wieder vorbeischauen. Ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Sie will auch nur zu einem Plausch auf einen Kaffee und ein Stückchen Kuchen kommen. Da sie anschließend gleich weiter fährt, noch andere Besuche machen, hat sie nur kurz Zeit. Also den Kuchen muss ich noch besorgen. Martha erzählt inzwischen vom Rheumatologen, den sie ebenfalls aufgesucht hat. Sie ist so mit ihren Krankheiten beschäftigt, dass ich ihr schon eine Stunde zuhöre. ''Vielleicht kann der Hausarzt mir ja auch 'mal eine Kur verschreiben?''

Dieses Gespräch muss jetzt beendet werden, denn ich muss noch meine Wohnung aufräumen und ein paar andere Dinge erledigen. Ich setze an um mich zu verabschieden. Da räumt Martha noch ein, dass sie ab und zu auch ein Ziehen in der Herzgegend hat. Außerdem seien ihre Haare dünner geworden. Das hätte doch gleich beim Hautarzt mit abgeklärt werden können. Ja und einen Allergietest hätte er unbedingt machen müssen. Sie erlebe es immer öfter, dass sie den Ärzten sage, was zu tun sei und überhaupt{…}'' Jetzt will sie mir noch die Krankheiten ihrer Bekannten mitteilen. Solche Gespräche enden bei Martha immer mit den Todesfällen und ihren vorangegangenen Krankengeschichten, über die Organspenden bis hin zu den Bestattungen und kommen irgendwann bei der Grabpflege an. Dieses Telefonat wird sich also noch mindestens zwei Stunden hinziehen. Da klingelt es auch schon an meiner Wohnungstür. ''Bei dir hat es geläutet'', meint Martha verständnisvoll und verabschiedet sich.

Ich öffne meine Tür und vor mir steht Tante Barbara. ''Hallo, ich bin etwas früher gekommen. Ich wollte dich anrufen, aber dein Telefon war besetzt. Seit über einer Stunde versuche ich dich vergeblich anzurufen.'' ''Tut mir leid, Tante Barbara. Das war Martha. Sie ist sehr krank.''

Tante Barbara und ich sitzen bei einer Tasse Kaffee ohne Kuchen in meiner Wohnung, die nicht aufgeräumt ist und machen es uns gemütlich. Nach zwei Stunden verabschiedet sich meine Tante.

Kurz darauf klingelt das Telefon wieder. Es ist Martha: ''Ich war heute Mittag noch 'mal bei meinem Hausarzt. Er sagte, er habe jetzt alle wichtigen Befunde von den Fachärzten zusammen. Auch das Blutbild zeige keinen Grund zur Besorgnis. Jetzt müssten wir auf Psychopharmaka umsteigen.'' Martha verspricht mir, mich weiter auf dem Laufenden zu halten. Eine Woche später ruft mich Martha wieder an: ''Stell' dir vor. Wir haben einen neuen Hausarzt. Den alten Doktor haben sie in die Psychiatrie gebracht. Er soll seine Patienten nicht mehr ertragen haben. Manche seien gar nicht krank. Die hätten einfach nur ein übersteigertes Mitteilungsbedürfnis. Kannst du dir das vorstellen? Morgen werde ich gleich einen Termin bei dem neuen Doktor machen.''

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9. Marthas Jobsuche

Hallo Martha! Was machst du denn hier?'' ''Hallo Carla, da staunst du, was.'' Carla steht bei ihrem Metzger und entdeckt ihre Freundin Martha hinter der Theke. Sie bedient noch eine Kundin, die das Geschäft auch gleich verlässt. Jetzt, wo sie alleine im Laden sind, wendet sich Martha Carla zu und meint: ''Weißt du in meinem Leben muss jetzt Veränderung her. Ich bin nicht mehr die Jüngste mit vierzig. Mein Mann ist immer viel unterwegs als Vertreter und mein Sohn ist schon zwanzig und mit der Schule fertig. Ja und ein bisschen Kohle kann nie schaden.''

Martha ist eine kleine rundliche Frau mit blonden Locken, die sich mit ihrem weißen Kittel in der Metzgerei ganz gut macht. Man könnte sich vorstellen, dass sie seit Jahren dieser Beschäftigung nachgeht. Zupacken kann sie jedenfalls. Außerdem ist sie freundlich zu der Kundschaft und hat für so manches Schwätzchen ein offenes Ohr.

''Wie läuft es bei dir, Carla?'' ''Ich schreibe immer noch an meinem Krimi, Kann mich nicht so recht entscheiden, was das Mordmotiv sein soll, Eifersucht oder Geldgier?'' ''Warum nicht beides? Von Sex und Geld können manche Leute nie genug bekommen.'' ''Keine schlechte Idee. Ich als Single mit meinem Job als Autorin, mit dem ich mich gerade so über Wasser halten kann, müsste es ja wissen. Ich muss weiter.''

Sie verabschieden sich. Mit einem schönen saftigen Steak ver­lässt sie das Geschäft. Zu Hause sitzt Carla an ihrem Computer. Die Schriftstellerei bedeutet für sie ein großes Maß an Freiheit, aber auch an Unsicherheit, was die finanzielle Seite angeht. Niemand kann ihr garantieren, ob ihr Buch jemals ein Bestseller wird.

Carla kennt Martha aus der Schulzeit. Sie gingen in dieselbe Klasse. Martha war die bessere Matheschülerin und Carla schrieb die interessanteren Aufsätze. Äußerlich sind die beiden sich ebenfalls unähnlich. Carla ist eher der sportliche Typ mit dunklen kurzen Haaren und Martha der häusliche. Während Carla im Sportverein Leichtathletik betreibt, strickt Martha zu Hause in ihrem Sessel Pullis und andere Kleidungsstücke für Kinder in der dritten Welt.

Martha war bis jetzt Hausfrau mit ehrenamtlichen Tä­tig­ke­iten. Außer diverse Strickwaren anzufertigen, macht sie stets Krankenbe­suche bei Leu­ten, zu denen sonst niemand kommt. Carla schreibt ihr drittes Buch. Die beiden ersten sind ebenfalls Krimis, verkaufen sich ganz gut, doch auf die Bestsellerliste schafft es keins der beiden. So arbeitet sie weiter an diesem Ziel. Sie kündigte ihren Job als Sekretärin. Es ging ihr auf die Nerven, immer nur zu schreiben, was ihr Chef ihr diktierte. Außerdem verbrachte sie die Hälfte der Zeit mit Kaffeekochen. Als dann noch der Chef seine Finger nicht von ihr lassen konnte, war es Zeit zu gehen. Er war eben nicht ihr Typ - zu alt, zu dick und zu verheiratet.

Carla entschließt sich zum Friseur zu gehen. Alle drei Monate sucht sie ihn auf. So bleibt ihr Kurzhaarschnitt immer auf der selben Länge. Kurz nachdem Carla den Salon betritt traut sie ihren Augen nicht. Schwungvoll fegt Martha mit einem großen Besen die Haare auf dem Boden zusammen. ''Hallo, bist du es wirklich oder träume ich?'' Martha strahlt über das ganze Gesicht, erwidert den Gruß und meint: ''Die Metzgerei ist nicht mein Ding. Bevor ich mich endgültig für eine Tätigkeit festlege, möchte ich doch ein paar Sachen ausprobieren. Vorerst fege ich nur und kümmere mich darum, dass die Handtücher gewechselt werden. Vielleicht darf ich nächste Woche den Leuten die Haare waschen, 'mal sehen?'' ''Super, dann machst du eventuell auf deine alten Tage noch eine Ausbildung zur Friseurin?''

''Was macht dein Buch?'' ''Ich habe jetzt eine Idee. Eine verheiratete Frau und ihr Liebhaber wollen den Ehemann töten, um sich mit seinem Geld auf und davon zu machen. Es kommt aber anders. Der Ehemann findet heraus, dass seine Frau einen Liebhaber hat und will die beiden umbringen. Aber mehr verrate ich nicht, sonst brauchst du es ja nicht mehr zu lesen.'' ''Mein Mann hat eine Gehaltserhöhung bekommen, so dass ich mir auch überlege ein paar Praktikumsstellen anzunehmen, bevor ich mich endgültig für einen Job endscheide.'' Jetzt ist Carla an der Reihe. Nach einer halben Stunde ist sie auch schon fertig und macht sich auf den Weg.

Carla arbeitet seit fünf Stunden ununterbrochen an ihrem Buch, um die Mordgedanken des Gehörnten auszuschmücken. Während der Lover und die Frau beabsichtigen den Ehemann auf einer Bergtour abstürzen zu lassen und das Ganze als Unfall darzustellen, hat es der gute Gatte schließlich mit einem Doppelmord zu tun, was die Sache nicht gerade leichter macht. Da er genügend Kohle hat, muss er sich nicht selbst die Finger schmutzig machen. Er trägt sich mit dem Gedanken, einen Killer damit zu beauftragen. Doch noch ist der Plan nicht ganz ausgereift{…}

Carla braucht dringend frische Luft. Sie entschließt sich zu einem Spaziergang. Nachdem sie genügend Sauerstoff getankt hat, hat sie Lust auf einen Cappuccino und geht auf einen Sprung ins ``Caf\'{e} Schreck''. Dort bekommt sie auch gleich einen selbigen, als sie ihren ehemaligen Chef Dr. Ernst, mit dem sie nicht allzu viel Spaß hatte, in einer Nische sitzen sieht. Er hat sie ebenfalls gesehen. Sie nimmt den Tisch am Fenster.

Dr. Ernst ist alleine. Er steht auf und kommt zu ihrem Tisch. Der alte Grapscher, denkt Carla. Was soll sie tun? Doch Dr. Ernst fackelt nicht lange und nimmt nach einer knappen Begrüßung unaufgefordert und ohne jede Nachfrage ob sie jemanden erwarte, an ihrem Tisch Platz.

Er teilt Carla mit, dass seine Frau sehr krank ist, sie liege im Krankenhaus und er kaum Zeit hat sie zu besuchen, da er sich gerade selbständig macht mit einem eigenen Verlag. Da ergreift Carla ihre Chance und erzählt ihm von ihrem Buch: ''Ja und jetzt hat die Fremdgängerin entdeckt, dass ihr Liebhaber noch ein anderes Eisen im Feuer hat und will völlig neu planen.'' Ihr Gegenüber reicht ihr seine Visitenkarte über den Tisch und meint: ''Wir bleiben in Verbindung. Schicken sie mir ihr Werk, wenn es fertig ist. Ich helfe gerne. Selbstverständlich bin ich immer auf der Suche nach guten Autoren.'' Dr Ernst verabschiedet sich, da er noch einen Termin habe.

Da erscheint plötzlich ein vertrautes Gesicht mit einem blonden Lockenkopf an ihrem Tisch. ''Kann ich noch 'was bringen?'' ''Mein Gott Martha! Wechselst du die Jobs wie andere ihre Unterhosen?'' ''Also ehrlich Carla. Alleine dieser Geruch beim Friseur. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man den ganzen Tag diese Chemikalien riecht. Da wird einem richtig schlecht. Dazu kommt noch dieses viele Gebabbel von den älteren Frauen. Nein, das ist nichts für mich. Hier im Caf\'{e} ist es viel angenehmer. Mein Sohn geht jetzt auf Weltreise. Er kann sich nicht so recht für ein Studienfach entscheiden. Er soll sich Zeit lassen, bevor er was macht, was ihm keinen Spaß macht. Mein Mann hat auch eine neue Stelle. Er verkauft jetzt Autos. Wie läuft es bei dir?'' Carla berichtet ihr vom Gespräch mit ihrem ehemaligen Chef, zahlt und macht sich auf den Heimweg.

Am darauf folgenden Tag hat Carla einen Termin bei ihrem Zahnarzt. Im Wartezimmer entdeckt sie Martha, die in eine Zeitschrift vertieft ist. ''Hallo Carla!'' ''Hallo Martha, hast du dich schon gut eingearbeitet im Caf\'{e}?'' ''Ich mache mir ernsthaft Gedanken, ob ich diesen Job noch lange mache. Ich habe mächtig zugenommen. Weißt du, ich darf abends die restlichen Kaffeestückchen zum verminderten Preis mitnehmen und da kann ich nicht widerstehen. Vor'm Fernseher esse ich so meine fünf bis sechs Stück pro Abend. Da muss ich unbedingt weg. Aber ich habe gehört, dass unser Zahnarzt noch eine Putzhilfe sucht. Wenn ich an der Reihe bin, werde ich ihn gleich 'mal fragen, ob die Stelle noch zu haben ist? Meinem Mann gefällt seine neue Stelle sehr gut und er ermuntert mich ja auch, viele Dinge einfach auszuprobieren.''

''Das scheint ja bei euch in der Familie zu liegen. Was macht denn dein Sohn?'' ''Er ist momentan als Rucksacktourist in Amerika. Er hat sich vorgenommen noch eine Weile zu bleiben. Er orientiert sich.'' ''Wie finanziert er das?'' ''Er arbeitet heute hier und morgen da. Also meine Sache wäre das ja nicht.'' Da muss Carla lachen und Martha meint: ''Wie schaut es denn bei dir aus mit dem Schreiben?'' ''Ich komme voran. Die Ehefrau will nun ihren Mann und den Geliebten umbringen, nachdem sie herausfindet, dass er sie verarscht. Sie hat vor, die beiden zu vergiften. Ihr Mann soll an Pilzvergiftung sterben. Bei seinem Tod wird sie dem Arzt erzählen, dass ihr guter Gatte die Pilze im Wald selbst gesammelt habe. Sie habe sie ihm stets liebevoll zubereitet und esse grundsätzlich keine. Wer kann ihr da einen Mord nachweisen? Der Liebhaber wird ein paar Wochen später entsorgt. Dieser Tod muss wie Selbstmord aussehen, da sie von einigen Nachbarn gesehen wird, wenn sie sein Haus betretet. Außerdem braucht sie ein wasserdichtes Alibi, darf keine Spuren hinterlassen und zwischen den Todesfällen darf keine Verbindung nachzuvollziehen sein.''

Martha wird aufgerufen und Carla wünscht ihr alles Gute. Nach ihrem Zahnarztbesuch macht sich Carla wieder ans Schreiben, denn sie will ihr Werk bald zu Ende bringen. Da läutet ihr Telefon. Es ist Dr. Ernst und meint, dass er noch eine Sekretärin suche. Doch Carla lehnt ab. Sie denkt sofort an Martha, aber bei ihm würde sie es nicht einen Tag aushalten. ''Was macht ihr Buch?'' ''Ich bin fast fertig. Die Ehefrau hat erfolgreich die beiden Männer beseitigt. Nun plagt sie ihr Gewissen. Sie ist nicht glücklich. Sie springt aus dem zehnten Stock. Eine Woche später liegt auch sie unter der Erde.

Das Buch trägt den Titel ''Morden ist tödlich''. Kann ich es ihnen vorbei bringen, wenn ich nächste Woche in die Stadt komme?'' ''Gerne, aber dürfte ich sie um einen Gefallen bitten? Ich bin sehr unter Zeitdruck und ehrlich gesagt hasse ich meine Frau, ach ich meine Krankenhäuser, sie wissen schon. Also würden sie meiner Frau einen Krankenbesuch abstatten? Ich maile ihnen wo sie sie finden. Sie hat 'mal wieder ihre depressive Phase, sie wissen schon.'' ''Nein, weiß ich nicht.'' ''Ich werde mich auf jeden Fall um ihr Buch kümmern.''

Am nächsten Tag kauft Carla einen bunten Strauß Blumen und fährt ins Krankenhaus zu Frau Ernst. Als sie den Gang entlang geht, öffnet sich eine Zimmertür, aus der Martha kommt. ''Hallo Martha, arbeitest du jetzt im Krankenhaus?'' ''Hallo, hör mir bloß mit diesen ganzen Jobs auf. Der Zahnarzt bezahlt mir nicht genug. Da fange ich erst gar nicht an. Ich bleibe zu Hause und gehe wieder meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach und besuche Leute, die von ihren Angehörigen nicht{…} Ich komme gerade von einer Frau, der es echt dreckig geht, ihr Mann muss ein richtiges Schwein sein, was die mir alles erzählt hat. Wo willst du eigentlich hin?'' ''Zu Frau Ernst.'' ''Ach, da komme ich gerade her.''

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10. Der Kunde ist König

Ich möchte einen Tisch für zwei Personen reservieren, wenn möglich am Fenster. für Mittwoch, 20.00 Uhr.'' ''Geht in Ordnung, ist notiert''. be­stä­tigt eine angenehme Männerstimme Marthas Wunsch. Am Telefon ist der nette Kellner, der sie und ihre Freundinnen in ihrem Stammlokal immer so zuvorkommend bedient. ''Ach und seien sie doch bitte so nett und stellen uns ein paar Blumen auf den Tisch! Das ist so erfrischend, gerade jetzt im Frühling, wenn es geht frische, vielen Dank!'' ''Wird gemacht, gnädige Frau, stets zu ihren Diensten.'' ''Entschuldigen sie, wir kommen am Freitag.'' ''Kein Problem. Ich schreibe es mir auf.'' ''Ist denn dann der Tisch am Fenster noch frei?'' ''Bedaure, aber der Tisch rechts hinten in der Ecke ist auch sehr gemütlich.'' ''Nein, den möchte ich auf gar keinen Fall. Ehrlich gesagt, der ist mir zu nah an der Toilette. Haben sie einen anderen Platz für uns?'' ''Der runde Tisch in der Mitte wäre noch zu haben.'' ''Ich rufe sie noch 'mal an. Ich bin mir jetzt auch gar nicht sicher, ob meine Freundin Erna am Freitag überhaupt kann.'' ''Kein Thema'', meint der sympathische Herr.

Malte arbeitet schon längere Zeit im Gasthaus ''Schock''. Es handelt sich um ein gemütliches Restaurant mit alten Eichenholzmöbel und holzvertäfelten Wänden. Malte ist vierzig, dunkelhaarig und durch die dauernde Rennerei sehr schlank. Man munkelt, dass viele Damen das Lokal hauptsächlich seinetwegen aufsuchen, da außerdem bekannt ist, dass er noch zu haben ist.

Er kennt Martha und ihre Freundinnen. Meistens ist sie mit Erna unterwegs. Ja, die kleine rundliche Martha mit ihren blonden Locken und die Erna mit ihrem roten Lockenkopf, ebenfalls rundlich. Beide sind sie um die fünfzig und besuchen das Gasthaus regelmäßig.

Es ist Montag. Heute ist nicht all zu viel los. Er ist allein im Lokal. Sein Chef, ein dickerer Herr um die sechzig, den alle immer nur Chef nennen, ist noch unterwegs, um Besorgungen zu machen.

Das Telefon klingelt erneut. Am anderen Ende meldet sich Martha noch einmal: ''Wir kommen am Samstag gegen 18.00 Uhr. Können wir dann unsere Plätze am Fenster haben?'' ''Ja, das ist möglich.'' ''Es wäre sehr nett, wenn sie uns eine Kerze hinstellen würden. Das letzte mal hatte unser Nachbartisch eine Kerze und wir nicht.'' ''Entschuldigung, ich werde dafür sorgen, dass alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt wird. Haben sie sonst noch irgend welche Wünsche?'' ''Nein, das wäre erst 'mal alles. Ach ja, 18.00 Uhr ist doch ein bisschen früh, sagen wir 19.00 Uhr. Bis dann.''

Malte ist an die unterschiedlichsten Gäste und ihre Eigenheiten gewöhnt. Mindestens alle vierzehn Tage bringt er Theo zum Taxi, wenn er total besoffen ist. Theo ist seit zwei Jahren Rentner. Er trinkt aus Langeweile. Theo wohnt hier im Dorf. Doch wenn er blau ist, legt er sich einfach auf die nächste Parkbank. Dann rufen Anwohner die Polizei, die ihn nach Hause bringt. Seit Malte davon weiß, hat er Mitleid und ruft ihm ein Taxi, setzt ihn hinein und drückt dem Fahrer ein Scheinchen in die Hand. Den Betrag schreibt er Theo auf den Deckel.

Auch der Taxifahrer ist ein Stammkunde, der bereitwillig Betrunkene sicher nach Hause befördert und sich somit ein paar Euro dazu verdient. Seine Mittagspausen verbringt er üblicher­weise im ''Schock'', wo er es sich immer gut und reichlich schmecken lässt, was man seiner Figur auch ansieht.

Es ist kurz vor Feierabend als Martha das dritte 'mal anruft. ''Wir kommen doch erst gegen 20.00 Uhr am Samstag.'' ''Ist recht. Sollte sich noch etwas ändern, scheuen sie sich nicht es mir mitzuteilen.'' ''Ja, wenn ich es mir so richtig überlege, ich glaube wir lassen das mit der Reservierung vorerst sein.''

Malte ist dabei, die Stühle hochzustellen. Die letzten Gäste sind soeben gegangen. Theo sitzt 'mal wieder im Taxi. Sonst ist alles wie immer. Der Chef kommt auf einen Sprung vorbei, um nachzusehen, ob alles seine Richtigkeit hat. Er vertraut Malte. Doch ab und zu sieht er nach, wie der Laden so läuft.

Es ist Samstag. Im Lokal herrscht ein Mordsbetrieb. Jeder Tisch ist besetzt. In der Küche schmeißt die junge flinke Bea den Laden so gut und schnell sie kann, aber heute müsste sie sechs Hände haben. Malte ist heute alleine für den Service zuständig. Zum Glück sind bis jetzt die Gäste verständnisvoll, wenn es nicht so rasch geht wie sonst. Malte ist seit mehreren Stunden beschäftigt und schon ziemlich fertig. Er bemüht sich jedoch immer noch, sehr freundlich zu bleiben.

Da erscheint Theo. Er ist schon angetrunken, als er das Lokal betritt. Er setzt sich wie immer auf einen Barhocker, damit er näher an der Quelle ist, wie er es formuliert. Malte bittet ihn, sich heute etwas zurück zu nehmen! Theo nickt ihm zu, hält sich aber keineswegs daran.

Jetzt öffnet sich die Tür, Martha und Erna, die von Theo Giftspritzen genannt werden, kommen herein. Martha geht direkt auf Malte zu: ''Hallo, ich sehe unser Tisch wird gerade frei.'' Malte kommt gar nicht dazu, ihr zu antworten. Er trägt mehrere Teller mit Essen zum runden Tisch und beginnt sofort danach den Nachbartisch abzuräumen.

Martha und Erna sitzen an ihrem gewünschten Tisch, der vor zwei Minuten durch Zufall frei geworden ist. Wegen des Hochbetriebs sind einige Gerichte schon nicht mehr zu haben. Malte will die Bestellung von Martha und Erna aufnehmen. Sie haben sich noch nicht entschieden. Er möge später wieder vorbei schauen. Sie sind noch am über­le­gen, ob sie überhaupt was essen wollen, geben sie zu verstehen. Mit der Getränkeauswahl könne es ebenfalls noch dauern.

''Würden sie uns bitte die Kerze anzünden'', so Martha. Malte ist mittlerweile ein wenig genervt, denn schließlich ist es so voll, dass sogar jeder Barhocker besetzt ist, nur noch fünf Gerichte angeboten werden können und jetzt noch Marthas und Ernas Zögern zu bestellen. ''Darf ich darauf hinweisen, dass wir leider nur noch wenig Auswahl an Speisen haben.'' Er will sie noch rasch auf die Situation hinweisen, wird jedoch vom Nebentisch gerufen. Außerdem warten an der Bar noch Gäste auf flüssigen Nachschub. Erna ruft ihn zurück und möchte wissen: ''Warum hat der Nachbartisch frische Blumen, die auf unserem Tisch sind schon fast verwelkt.'' Nur die Ruhe, denkt Malte und tauscht die Vasen einfach aus und verschwindet wieder.

Martha und Erna entscheiden sich für einen Rotwein und bestellen. Als Malte mit einem Tablett Bier für den Tisch nebenan vorbeikommt, meint Martha: ''Ich möchte doch keinen Rotwein, lieber einen Weißwein. Erna und du?'' ''Ich bestelle den Wein auch wieder ab, ich überlege noch.'' Malte dreht sich um, um zu gehen, da meint Martha: ''Nein, kein Weißwein. Ein Mineralwasser.'' Martha bekommt ihr Mineralwasser gebracht. Da bestellt sich auch Erna eins. Sie sitzen jetzt vier Stunden vor einem Mineralwasser und bekommen langsam Hunger.

Inzwischen ist Theo so blau, dass er am Singen ist. Zum Glück hat sich die Gaststätte wieder etwas geleert. Martha und Erna entscheiden sich für eine Spaghetti. Als die Spaghetti fast fertig sind, teilen sie Malte mit, dass sie doch lieber eine Gulaschsuppe hätten, vorher aber wissen wollten, was genau drin ist? Kurz vorm Platzen stürzt er in die Küche und gibt Bescheid über die geänderten Wünsche.

Den ganzen Tag schon versucht er seinen Chef anzurufen, um ihm mitzuteilen, was hier los ist, erreicht ihn aber nie. Gerade heute könnte er Unterstützung gebrauchen. Das Handy ist ausgeschaltet und auch sonst ist nichts zu machen. Theo wird soeben ins Taxi verfrachtet, wie üblich. Das ist geschafft. Bis auf Martha und Erna ist das Lokal fast leer. ''Herr Ober, wir möchten die Suppe doch nicht. Bringen sie uns die Karte mit den Desserts, bitte'', fordert Martha den Kellner auf. Malte atmet entnervt aus. Er geht in die Küche und bestellt die Suppe ab. Dort fragt ihn die Angestellte, ob er noch ganz dicht ist? Er brüllt sie an: ''Ich noch ganz dicht? Da draußen sitzen zwei alte Schrullen.'' Malte verliert die Beherrschung und es platzt alles aus ihm raus, was sich in ihm angestaut hat. Bea wird in der Küche ausführlich über Marthas Extravaganzen informiert. Völlig in Rage achtet er nicht darauf, dass die Tür zum Restaurant geöffnet ist und die Damen diese ''nette Unterhaltung'' hören.

Zu allem Übel erscheint in diesem Moment der Chef auf der Bildfläche und wird ebenfalls Zeuge des Gesprächs. Er meint zu Malte: ''Bei uns ist der Kunde König. Sie sind entlassen.'' Malte geht ohne ein weiteres Wort, denn heute ist er nicht mehr in der Lage etwas zu klären.

Der Chef entschuldigt sich bei Erna und Martha und fragt nach ihren Wünschen? Martha wendet sich an den den Herrn: ''Ihnen fehlt doch jetzt ein Kellner. Könnte ich da nicht einspringen?'' ''Ja, sie können morgen gleich anfangen. Zur Zeit herrscht bei uns wirklich Notstand''

Martha und Erna verlassen das Lokal. Da erstattet die Köchin, die sich über diese Dreistigkeit empört, ihrem Vorgesetzen Bericht und schildert ihm den Ablauf des Tages und Marthas Allüren. ''Wenn das so ist, lassen sie mich 'mal machen.'' ''Was wird jetzt aus Malte?'' ''Warten sie es ab!''

Am nächsten Tag setzt sich der Chef mit Malte in Verbindung, macht seine Entlassung rückgängig, bittet ihn jedoch einen Tag den Gast zu spielen und sich von der guten Martha bedienen zu lassen.

Die ersten Stunden verlaufen für Martha recht gut, da Martha als Bedienung bereits in einem Caf\'{e} Erfahrung gesammelt hat. Theo ist wieder da. Wie so oft ist er total besoffen. Martha ist froh, dass sie bald Feierabend hat. Da kommt Malte herein. Damit hat sie nicht gerechnet. Er setzt sich an den Tisch am Fenster und zieht in aller Ruhe das gleiche Programm ab wie sie es mit ihm getan hat.

Martha kommt in Stress. Sie versucht aber weiter durchzuhalten. Als Malte sie x-mal hin und her hetzt, faucht sie ihn an: ''Kochen sie sich ihr Essen doch selbst. Sie Tyrann, sie.''

Der Chef, der die ganze Zeit im Hintergrund alles verfolgt, schreitet ein und entlässt Martha. Malte steht auf, zückt ein Scheinchen, hält es dem Taxifahrer hin und bittet ihn: ''Wenn sie Theo heim fahren, bringen sie die Dame doch auch gleich nach Hause! Service ist nun 'mal Service und bei uns ist der Kunde König.''

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11. 1. April

Hast du schon gehört, dass Leon und Lili auswandern? Sie wollen nach Neuseeland'', meint Tom zu seinem Freund Michael. ``Ja, wann denn?'' ``Schon sehr bald.'' ``Sie waren vor Jahren 'mal dort und haben sich mit dem Gedanken getragen, dort zu bleiben. Es hat ihnen gut gefallen'', bemerkt Michael. ``Leon ist Informatiker. Um dieser Arbeit nachzugehen, muss er sich nicht unbedingt in Deutschland aufhalten. Für Lili ist es schwieriger als Betriebswirtin'', so Tom. ``Da hast du recht. Klingt richtig aufregend. Dann verkaufen sie sicher ihr Haus oder wollen sie es vorerst vermieten?'' ``Das steht noch nicht fest. Es wird sicher eine große Abschiedsfeier geben.''

Als Tom den Hörer auflegt muss er lachen, denn Michael merkt nicht, dass er in den April geschickt wird. Tom will es erst klarstellen, doch irgend wie gefällt es ihm, dass es sofort und ohne jeden Zweifel für bare Münze genommen wird. Er lässt Michael in dem Glauben, dass ihre gemeinsamen Freunde beabsichtigen das Land zu verlassen.

Er spinnt dieses Netz sogar noch weiter, ohne einen einzigen darauf hinzuweisen, dass heute der 1. April ist. Zwei weitere Freunde werden angerufen, die die Neuigkeit ebenfalls mit großem Interesse aufnehmen. Als er mit den Telefonaten fertig ist, erzählt er seiner Frau über das Vorhaben von Leon und Lili. Auch sie denkt nicht daran, dass es sich bei dieser Botschaft um einen Aprilscherz handeln könnte.

Dieses Gerücht macht die Runde. Die Bekannten wollen sich schließlich bei Leon und Lili erkundigen, wie ihre nahe Zukunft denn nun aussehen wird? Bei ihnen läuft das Telefon heiß. ``Wer erzählt denn so was? Erst ruft mich Michael an, dann Axel und jetzt du Tim'', meint Leon. ``Noch mal. Wir wandern nicht aus, jedenfalls nicht im Moment. Es muss sich wohl um einen Aprilscherz handeln.'' ``Ist aber ein guter Scherz.''

Kurze Zeit später überlegen Leon und seine Frau, nur 'mal so zum Spaß, ob es für sie eine Verbesserung wäre, wirklich nach Neuseeland zu gehen. Bekannte von ihnen leben seit zwanzig Jahren dort und sind sehr glücklich in ihrer neuen Heimat. Sie kommen zu dem Schluss, dass man es 'mal abchecken könnte. Es werden Bewerbungen geschrieben, Sprachtests gemacht, ja sogar das Haus wird zum Verkauf angeboten. Sie bekämen einen guten Preis dafür. Beruflich würde es in ihrer Wahlheimat gut aussehen und die Wohnverhältnisse dort wären auch nicht übel. Sie haben keine Kinder, auf die sie Rücksicht nehmen müssen, oder Eltern zu versorgen. Ihnen gefällt die Sache immer besser. Sie treffen Vorbereitungen und machen es wahr. Es soll auch eine große Feier geben vor der Abreise. Sie halten es jedoch bis zum Schluss geheim.

Es vergeht fast ein ganzes Jahr bis alles für ihre Auswanderung erledigt ist. Sie verschicken Einladungen an sämtliche Freunde wie Tom, Michael, Axel, Tim und weitere Bekannte. Wie es der Zufall will, landet die Post am

  1. April in den Briefkästen der geladenen Gäste, von denen kein einziger auf

der Feier erscheint, da niemand so dumm sein will und ein zweites Mal auf so einen Aprilscherz reinfallen möchte.

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12. Die Ohrenbeichte

Copyright 2022: Beate Biewer-Hellbrück

Johannes ist praktizierender Katholik. Er besucht nicht nur die sonntägliche Messe, sondern beichtet auch noch regelmäßig. Es tut ihm gut. Er fühlt sich hinterher befreit von der Last, die auf ihm liegt. ``Schon wieder bist du dem Alkohol verfallen! Das ist ein Teufelszeug'', meint der Pfarrer, der mit den meisten Leuten per du ist, und schickt ihn mit den Worten: ``Tue Buße und bete drei Rosenkränze'', nach Hause. Johannes ist um die vierzig, verheiratet, von Beruf Bauer und gesteht seinem Gegenüber gerade, dass er gestern wieder mal ziemlich blau war. Schließlich ist Fastenzeit und da er gut katholisch ist, sollte er sich bis Ostern mäßigen.

Der Pfarrer, ein Mann in Johannes` Alter, hört sich so manches Sündenregister an und gibt seinen Schäfchen mit auf den Weg: ``Wenn die Reue aufrichtig ist, vergibt der Herr alles.'' In der Öffentlichkeit fungiert der Pastor stets als tadelloses Vorbild seiner Gemeinde.

Der Geistliche ist im Dorf sehr geachtet. Viele Leute, und gerade die älteren, machen trotz des inzwischen eingeführten Bussgottesdienstes noch gerne von der Ohrenbeichte Gebrauch. So hat er einen engen Kontakt zu den Menschen und kennt ihre tiefsten Geheimnisse, die ihnen auf der Seele liegen.

Wenn er da nur an die Liesel denkt, die jemanden zum Reden braucht, weil ihr Mann sie schlägt und er ihr Trost spenden will: ``Wenn dein Glaube stark genug ist, wird der Herr dir beistehen.'' Was will er der Liesel sonst sagen? Seit zehn Jahren trinkt ihr Eugen, arbeitet nichts und prügelt sie. Sie hat fünf Kinder und keinen Beruf. Soll er ihr raten, das Ehegelübte zu brechen?

Edda kommt oft zu ihm, weil sie schlecht über die Leute spricht. Es tut ihr danach immer leid, aber sie kann es einfach nicht lassen. Er bestärkt sie darin, ihm ihr Herz auszuschütten: ``Mein liebes Kind, mir kannst du dich ruhig anvertrauen!'' Jetzt plappert Edda munter drauf los und vergießt völlig, dass sie sich im Beichtstuhl befindet. Sie berichtet ihm sogar, dass ihre Freundin, die Liesel, ihr anvertraut, welche Sexualpraktiken sie verabscheue und dies dann Sebastian in aller Öffentlichkeit beim Metzger erzählt. Pfarrer Demut hört mit großer Geduld zu. Er zeigt aufrichtiges Interesse, so dass er sie bittet, ihm die Dinge etwas ausführlicher zu schildern, um die genauen Zusammenhänge besser zu verstehen. ``Edda, diese kleine Schwäche verzeiht dir Gott. Du kannst jederzeit zu mir kommen, um dich auszusprechen. Fünf Ave Maria und deine Sünden werden dir vergeben!''

Sebastian beichtet ihm, wie er seinen totkranken Vater im Streit die Treppe 'runterschupst. Er könnte heute noch leben. Pastor Demut meint: ``Er ist Gott jetzt näher denn je und das Leid ist ihm genommen. Die Krankheit bereitet ihm keine Schmerzen mehr.'' Er beruhigt Sebastian und lässt ihn den Rosenkranz beten. ``Der Herr wird dir verzeihen. Stelle ein paar Blumen auf sein Grab!'' Ja, Detlef Demut ist überzeugt, dass Jesus barmherzig ist und alles vergibt.

Nach dem Verlassen des Beichtstuhles absolviert Johannes brav, was ihm aufgetragen ist und betet. Mit Freunden redet er nicht darüber, dass er zur Beichte geht. Es wäre ihm peinlich. Sicher würden sie ihre Witze machen im Kegelclub oder auf dem Fußballplatz.

Pfarrer Demut ist ein großer schlanker Mann mit schwarzen Haaren und braunen Augen. Außerdem ist er sehr sportlich. Er wird oft beim Joggen gesehen und fährt lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto. Hinzu kommt, dass er sehr belesen ist. Seit er in dieser Pfarrei tätig ist, gibt es eine Pfarrbücherei mit modernen Medien.

So manche Frau im Dorf würde ihn gerne gegen ihren Ehemann eintauschen. Edda meint: ``Liesel, wenn du so ein Prachtexemplar als Mann hättest, das wäre der Himmel auf Erden.'' ``Ja Edda, für den würde ich meinen Eugen zum Teufel schicken.'' Liesel sieht trotz ihrer fünf Kinder immer noch sehr gut aus. Sie ist schlank und hat wunderbares schwarzes Haar. Niemand versteht, warum sie noch bei ihrem Mann ist, der zu nichts taugt. Bei Edda ist es umgekehrt. Sie ist etwas ungepflegt, wenig attraktiv und die Leute fragen sich, wie Johannes sie erträgt? Ihr Aussehen jedoch ist nicht das Schlimmste. Es ist ihr Schandmaul, das nie still steht.

Johannes hat den Bauernhof seiner Eltern übernommen, den er gemeinsam mit seiner Frau führt. Eigene Kinder sind ihnen nicht vergönnt. Deshalb wird der % nicht eingefügt, in Ordnung??? Viehbestand ständig vermehrt. Zu den fünfzig Kühen, zwanzig Hühnern, zwei Hunde und zehn Katzen will er nun noch eine Schweinezucht betreiben. ``Wenn Edda ausreichend Beschäftigung in der Landwirtschaft findet, nimmt dieses Getratsche vielleicht ab?'', meint Johannes zu Sebastian, der bei ihm als Stallbursche arbeitet. Oft kommt es zu Streitigkeiten zwischen Johannes und Edda. Er mag ihr hässliches Gerede, über alles und jeden, nicht. Bei allem was recht ist. Sie geht ihm damit auf die Nerven. Wenn er die Nase von ihr voll hat, geht er mit Sebastian in die Dorfschenke. Gelegentlich gesellt sich Pfarrer Demut zu ihnen. Er und Sebastian scheinen sich sehr gut zu verstehen.

Johannes überlegt, ob er die Geschichte mit der Liesel beichten soll? Er findet den Geistlichen inzwischen so sympathisch, dass auch er ihn Detlef nennt. Sie sind gute Freunde geworden und Detlef Demut ist jetzt sogar Mitglied im Kegelclub.

Würden Sebastian und Johannes bloß nicht so viel trinken. Auf dem Heimweg begegnet Johannes der Liesel, die ihren besoffenen Eugen sucht. Sie heult sich bei ihm aus und er versteht sie so gut, da er ja mit seiner Edda auch nicht gerade das große Los gezogen hat. Er tröstet sie, und zwar auf solch eine Weise, wie er es besser nicht tun sollte. Aber es ist geschehen, ein Ausrutscher. Es wird nie wieder vorkommen. Er will es beichten.

``Das ist ein Fehltritt, der nur allzu männlich, menschlich meine ich, ist. Möge Gott dir verzeihen.'' Im Stillen denkt Pfarrer Demut immer dann, wenn ich mich von deinem schneidigen Stallburschen trösten lasse. Aber diese Beichte wird keinem Priester zu Ohren kommen.

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13. Jammern will gelernt sein

Copyright 2022: Beate Biewer-Hellbrück

Otto ist fünf Jahre alt und sehr klein für sein Alter. Außerdem hat er Untergewicht. Seine Mutter kocht nur die notwendigsten Mengen. ``Wir haben nicht viel Geld, Otto. Wenn dein Vater noch leben würde, wäre alles ganz anders'', jammert Britta ihrem Sohn vor.

Otto ist Brittas einziges Kind. Sie hat eine intensive Beziehung zu ihrem Sohn. Da er so schmächtig ist, hat sie Angst, dass er zu schwach für diese Welt ist.

Überall, wo Britta auftaucht, gibt sie zu verstehen, dass sie permanent am sparen ist. So bekommt sie das Brot vom Bäcker, was schon einen Tag alt ist, zum halben Preis.

Manchmal geht sie auf den Wochenmarkt frisches Obst und Gemüse einkaufen. Sie besucht den Markt aber erst kurz bevor die Stände abgebaut werden, da die Waren dann billiger verkauft werden. ``Sie kennen mich ja und wissen, dass ich nicht zu den Reichen gehöre'', setzt Britta bei der Marktfrau an und bekommt den Salat, der ihr Otto so gerne isst, geschenkt.

Britta hat eine Putzstelle im Kaufhaus. Eine anspruchsvollere Tätigkeit traut sie sich nicht zu, da sie nichts gelernt hat und jetzt ist sie vierzig und meint, sie kann nichts mehr daran ändern.

Sie wohnt mit Otto in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die sauber ist aber dunkel, was ihnen auf die Stimmung schlägt. Wenn tapeziert werden muss, macht es der siebzigjährige Opa, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Hauptsache es kostet nichts.

Otto fragt seine Mutter: ``Warum bügelst du das Geschenkpapier?'' ``Mein lieber Junge, so kommt ein Cent zum andern'', gibt Britta in einem gequälten Ton und mit gesenktem Kopf zur Antwort.

Wenn von der Verwandtschaft Kleider zur Altkleidersammlung gegeben werden, kommen alle Säcke erst zu Britta. Dann wird Otto neu eingekleidet. Er strahlt über das ganze Gesicht, wenn er die Jacke von seinem Cousin Erich anziehen darf, die er immer so bewundert.

In den Sommerferien darf Otto mit Erich zelten. Das Zelt wird im Garten von Erichs Elternhaus aufgestellt. Für ihn ist das ein richtiges Highlight. Britta kann Otto kein Geld für einen Urlaub geben und wenn er vierzehn Tage bei den Verwandten ist, kann sie weitere Einsparungen vornehmen. Erich ist zwei Jahre älter als Otto. Sie verstehen sich gut und abends gibt es gegrillte Würstchen, die ihr Opa spendiert. Dann schließt sich Britta der gemütlichen Runde an und isst doppelt so viel, wie sie es zu Hause tun würde.

Otto ist inzwischen vierzehn Jahre alt. Der Urlaub im Garten ist für ihn Luxus pur. Es sind für ihn die schönsten zwei Wochen im ganzen Jahr. Erich hingegen, dessen Vater Realschullehrer ist, findet diese Zeit nur lasch. Schließlich machen seine Eltern mit ihm anschließend vier Wochen Bildungsurlaub in Indien. Darunter kann sich Otto nichts vorstellen. ``Warum müsst ihr nach Indien fahren, um zu lernen?'', fragt er Erich. Erich muss lachen und erzählt Otto dann, was sie in Indien alles so vorhaben.

Otto ist jetzt sechzehn. Er will seine Mutter unterstützen. Er macht eine Ausbildung als Elektriker. Von seiner Ausbildungsvergütung gibt er seiner Mutter die Hälfte ab. Britta beklagt sich ständig über ihre finanzielle Situation, lehnt aber eine besser bezahlte Stelle ab mit dem Kommentar: ``Im Kaufhaus weiß ich, was ich zu tun habe. Die haben mir nichts getan.''

Sie beneidet die Marktfrau, weil sie in einem schicken Haus wohnt und den Bäcker, der ein tolles Auto fährt. Auf Erichs Eltern ist sie ebenfalls neidisch, da sie noch zu zweit sind. Britta jedoch hat zwei Heiratsanträge abgelehnt und meint: ``Ich brauche nur jemanden zum Tapezieren. Das macht unser Opa und bald kann das Otto übernehmen.''

Wenn Britta Leute begegnen, die ihr erzählen, dass sie eine Krankheit haben, sagt sie mit ihrer weinerlichen Stimme: ``Das kann auf mich auch noch zukommen.'' Dann geht sie schnell weiter. Anderer Leute Gejammer kann sie nicht ab.

Britta äußert ihrem Sohn gegenüber, dass es Erich ja viel besser habe, als er und zählt einige Dinge auf. Das zieht Otto runter. Sie und er gegen den Rest der Welt, so empfindet es Otto. Aus diesem Teufelskreis möchte er raus.

Eines Tages kommt Otto mit vier Plastiktüten leerer Pfandflaschen nach Hause. ``Was soll ich mit diesen Flaschen?'', fragt Britta. ``Die habe ich für dich gesammelt. Du brauchst sie nur noch wegzubringen. Dann hast du wieder etwas Geld.'' ``Soll ich die Flaschen abgeben? Wie sieht denn das aus? Gib du sie ab! Ach, das ist eine gute Idee von dir. Kannst du vielleicht noch mal in den Park gehen. Da liegen sicherlich noch mehr.''

Da reißt Otto der Geduldsfaden: ``Wenn du zu fein oder zu faul bist, die Flaschen ins Geschäft zu bringen, kann es dir nicht so schlecht gehen.'' Britta heult. Daran ist Otto inzwischen gewöhnt. ``Übrigens Mutter, ich bin heute Abend nicht da. Ich gehe ins Theater.'' ``Ins Theater? Hat es die Karten umsonst gegeben?'' Da muss Otto lachen und zieht die Theaterkarte aus seiner Tasche: ``Das Stück heißt ``Jammern will gelernt sein''.''

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14. Schwein gehabt

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Anna zieht ihr schwarzes Kleid an, was ihr blondes Haar gut zur Geltung bringt. Sie wirft einen letzten Blick in den Spiegel und verläßt ihre Wohnung. Sie ist bei ihrer Freundin Martha eingeladen, die ihre neue Wohnung einweiht.

Martha öffnet ihr die Tür, begrüßt sie und führt sie ins Wohnzimmer. "Du bist die letzte. Neben Nicki, meinem neuen Mitbewohner, ist noch ein Platz frei", so Martha. Annas Blick fällt auf einen braunen sabbernden Dackel, der es sich auf einem Stuhl bequehm gemacht hat. Sie hat Angst vor Hunden. Bei Dackeln kommt hinzu, daß sie diese überhaupt nicht leiden kann und diesen hier ganz besonderst eklig findet. Außerdem riecht er komisch. Aber es sind zehn Leute im Raum, der nicht gerade groß ist, dafür aber sehr gemütlich eingerichtet. "Du brauchst überhaupt keine Bange zu haben. Nicki bleibt auf seinem Stuhl sitzen. Er bewacht dich nur", will Peter, Marthas Freund, Anna beruhigen.

Anna läßt sich einen alkoholiches Getränk einschenken, obwohl sie vor hatte, heute nur Wasser zu trinken, da sie morgen früh zur Arbeit muß. Aber so ganz nüchtern kann sie den stinkenden Vierbeiner neben sich nicht ertragen. Ihr Nachbar schaut sie mit dem typischen Dackelblick an. Anna trinkt ihr Glas Wein zügig aus und bekommt gleich ein weiteres angeboten. Sie plaudert mit einigen Gästen über dieses und jenes und konzentriert sich nicht mehr auf Nicki. Gegen Ende der Feier meint Martha: "Siehst du, er hat dir nichts getan. Er hat den ganzen Abend auf dich aufgepaßt." "Ja da hast du recht. Er ist ein ganz braver. Wie man sich täuschen kann?"

Anna bedankt sich für den schönen Abend, dann verabschieden sich die Gäste von einander und sie findet Nicki gar nicht mehr so schlimm. Vielleicht hat sie sich ja da in was reingesteigert? Man muß so einem Vieh auch mal eine Chance geben und schließlich ist Martha ihre beste Freundin.

Da sich Martha und Anna öfter treffen, gewöhnt sich Anna an das Tier. Als sich Martha den Fuß verstaucht, bietet sie sich sogar an, mit Nicki Gassi zu gehen. Das hätte sie nie gedacht, daß sie so ein Dackvieh sogar mal richtig lieb gewinnen würde. Früher dachte sie immer, die Dackel wären link.

Ein paar Wochen vergehen. Anna besucht Martha und Nicki ist nicht da. "Wo ist denn dein kleiner Mitbewohner?" Martha schaut traurig aus, fast der gleiche Blick wie Nicki. Auf ihrem Kopf befinden sich blonde Locken und bei dem Vierbeiner waren es die Dackelohren. Das unterscheidet die beiden von einander. Sie meint: "Er hat wiederholt Leute gebissen. Wir mußten ihn einschläfern lassen." Anna: "Da habe ich aber Schwein gehabt."

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15. Die Versteigerung

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Bertha zieht ihr schickstes Kleid an, welches sie sich extra für den heutigen Anlaß zugelegt hat. Es handelt sich um ein edles Stück, zu einem ordentlichen Preis. Sie kann es sich leisten. Es überspielt ihre Rundungen hervorragend. Außerdem paßt das Dunkelblau sehr gut zu ihren blonden Locken.

Heute fährt sie mit Erna in die Stadt zu einer Versteigerung. Es handelt sich um eine Zwangsversteigerung eines Immobilienobjektes. Das grüne Eckhaus von Frau Dickes soll heute unter den Hammer kommen. Von Erna weiß sie, daß Greta Dickes die Raten nicht mehr zahlen kann und die Bank ihr Geld will.

Erna ist Berthas beste Freundin und immer hervorragend informiert, was sich in ihrem Dorf abspielt. Beide waren nie verheiratet und haben als Lehrerinnen im Ruhestand ihr Auskommen. Jede besitzt ein hübsches kleines Häuschen.

Es klingelt und Bertha öffnet. "Hallo Bertha." "Hallo Erna." Auch Erna ist gut zurecht gemacht. Ihrem roten Lockenköpfchen wird regelmäig ein Friseurbesuch gegönnt. Schließlich sollen die Leute sehen, daß es ihnen gut geht.

Sie steigen in Ernas Wagen und fahren zum Gericht. Sie sind immer überpünktlich, um sich schon vor Beginn dieser Veranstaltung das Treiben anzusehen. Außerdem laufen beide nicht gerne und möchten einen Parkplatz möglichst in der Nähe des Gerichtsgebäudes ergattern.

Da bin ich aber mal gespannt, wer dieses Haus ersteigert? Das ist ja ganz schön runtergekommen. Im Garten ist ja schon ewig nichts mehr gemacht worden", so Erna. "Mal sehen, wer aus unserem Dorf noch alles dort ist", meint Bertha. "Jetzt waren wir schon so oft auf einer Versteigerung und haben immer bekannte Gesichter gesehen. Es ist wie ein Theaterbesuch, so unterhaltsam", sagt Erna und grinst über das ganze Gesicht. Erna und Bertha stehen auf den Eingangsstufen des Gebäudes, in dem die Show, wie Erna es mit Schadenfreude bezeichnet, stattfindet und halten Ausschau, damit ihnen nichts entgeht. "Das Geld für die Theaterkarten sparen wir, obwohl das für uns ja kein Thema ist", räumt Erna weiter ein. "Hast du die Greta gesehen? Die sieht vielleicht fertig aus. Sie hat abgenommen, und zwar nicht zu knapp. Ist ja auch kein Wunder bei dem Schuldenberg", stellt Bertha fest. "Sag Bertha, hat sie schon eine neue Bleibe?" "Erna, wenn das jemand weiß, doch dann du." "Da muß ich mich mal in meinem Kegelclub rumhören. Die werden staunen, wenn sie von mir wieder die Neuigkeiten erfahren."

Da kommt Greta Dickes die Stufen hoch und wird von den beiden, die ruckartig ihr Gespräch unterbrechen, entdeckt. "Hallo Greta. Wie geht es dir? Sicher nicht gut. Hast du schon eine neue Wohnung? Es tut mir ja so leid, was dir passiert ist", quasselt Erna auf sie ein. Sie nimmt Greta in den Arm. "Laß dich von mir drücken!" Greta Dickes ist um die vierzig, doch heute sieht sie zehn Jahre älter aus. Ihr Mann liegt auf dem Friedhof. Schuld ist die Arbeitslosigkeit, aber vor allem der Suff. Mehr ist über ihn nicht zu sagen. Greta ist Friseurin und kann froh sein, wenn sie sich jetzt um sich selbst kümmern kann. Greta ist schon im Raum, wo die Versteigerung stattfindet. Sie ist nicht zum Reden aufgelegt.

"Daß die Gute sich das antut? Sicher will sie, den Menschen sehen, der ihr Haus kauft." "Das würde mir bestimmt so gehen", so Erna. "Laß uns wie immer, zum Schluß reingehen! Von hinten hat man den Saal gut im Blick. Wenn ich vorne sitze, muß ich immer den Kopf so drehen, dann habe ich morgen wieder Nackenschmerzen." "Übrigens Bertha, ich habe mich schon schlau gemacht. Im Internet ist ein Expose`. Der Verkehrswert des Objektes beträgt 120.000,00 Euro."

"Erna, sieh nur. Da ist ja unser Pfarrer Demut. Was will der denn hier? Er ist in Begleitung eines jungen Mannes. Der ist bestimmt zwanzig Jahre jünger als er. Den kenne ich aber nicht." "Bertha, das ist der Sohn des Bürgermeister`s. Der Bürgermeister des Nachbarort`s hat drei Söhne. Das hier ist sein jüngstes Exemplar. Rudi heißt er. Rudi hat eine kleine Wohnung in dem gelben Haus in der Mondstraße in unserem Dorf. Daneben ist ein Haus, das ist vor einem Jahr versteigert worden. Da waren wir doch auch." "Wir besuchen ja auf fast alle Zwangsversteigerungen. Wer soll sich das alles merken?" "Wir gehen jetzt rein. Das Spektakel beginnt gleich."

Erna hakt sich bei Bertha unter und sie suchen sich einen Platz in der letzten Reihe. Es sind nicht viele Leute da. Vor ihnen sind noch drei Stuhlreihen frei. Die Versteigerung beginnt. Den Herrn mit dem Hammer, der die ganze Schose managt, sehen sie nicht zum ersten mal. Es ist ein älterer freundlicher Herr mit grauem Haar. Es ist Herr Schleichdich. Fünf Bieter sind anwesend. Unter ihnen befindet sich Pfarrer Detlef Demut. Bei den anderen Bietern handelt es sich um zwei Damen mittleren Alters, ein älterer Herr und eine ältere Dame, die Erna und Bertha leider nicht kennen. Auch unter den sonstigen Anwesenden gibt es heute bedauerlicherweise keine bekannten Gesichter zu sehen. Nach vierzig Minuten fällt die Immobilie an Parrer Detlef Demut, der sie zu einem Betrag von 180.000,00 Euro erwirbt.

Erna und Bertha verlassen den Raum des Treibens zuletzt. Als Pfarrer Demut mit Begleitung an den beiden vorbei gehen will, wird er von Erna überschwenglich begrüßt. Erna geht auf ihn zu und gratuliert ihm zu den Sieg, was dem Geistlichen sichtlich peinlich ist. "Hallo die Damen", begrüßt er die beiden mit seiner lockeren freundlichen Art. "Das ist Herr Rollmops. Rudi, das ist Erna Schnipp und Bertha Schnapp." Vor ihnen steht ein ungleiches Männerpaar. Während der Pfarrer dunkelhaarig, gro0 und schlank ist, macht der blonde Jüngling seinem Namen alle Ehre. Die Herren sind im Begriff zu gehen, doch Erna hält den Parrer am Arm fest und will es mal wieder etwas genauer wissen: "Was haben sie denn jetzt mit dem Haus vor?" "Das Haus gehört mir nur zur Hälfte. Die werde ich an Greta Dickes vermieten. Herr Rollmops wird wohl einziehen. So, nun muß ich aber weiter." Die Herren verabschieden sich und verlassen schnellen Schrittes das Gebäude.

"Bertha, ob der was mit dem hat? Im Kegelclub höre ich, daß unser Pfarrer öfter mit dem Rollmops gesehen wird. Also schwul hin oder her. Es ist ein feiner Zug, daß er die Greta nicht vor die Tür setzt, obwohl die ja selbst schuld ist, wenn sie diesen Trinker da heiratet." "Da haben wir es doch gut, keine Männer, keine Trinker. Jedenfalls amüsieren wir uns immer köstlich."

Ein paar Tage danach. Bei Bertha Schnapp klingelt das Telefon. Am anderen Ende ist Erna. "Hallo, meine Liebe." "Hallo Erna, wie geht es dir?" "Bestens, meine Liebe, bestens. Ich werde bald eine reiche Frau sein. Meine gesamten Ersparnisse hat mein Vermögensverwalter, Dr. Gierig, zum Vermehren versteht sich. Er wird sie für mich in Aktien anlegen. Eine hohe Rendite sichert er mir zu. Er macht einen total seriösen Eindruck, sehr fein gekleidet, mit Nadelstreifenanzug, eben der typische Karrieremensch. Es ist ihm anzusehen, daß er sich schon seit Jahren erfolgreich mit Finanzen beschäftigt. Er riecht das Geld förmlich, meint er. Dr. Gierig sucht mich in meinem Haus auf. Das nenne ich Service. Sogar auf meinem Haus ist eine Hypothek. Er sagt, das lohnt sich. Er liebt Leute, die bereit sind, mal ein Risiko einzugehen. Er hat 300.000,00 Euro von mir. Innerhalb kürzester Zeit kann es 1.000.000,00 sein. Verluste seien nur selten der Fall bei derartigen Spekulationen. Dann lade ich dich zu einer Weltreise ein. Außerdem werde ich mich nach einer kleinen Villa umsehen. Der Kegelclub im Dorf ist dann auch nicht mehr das richtige Ambiente. Es gibt ja diese Country Clubs, und meine Garderobe lasse ich mir maßschneidern. Ich habe ganz tolle Pläne."

"Oh ja, Erna, da bin ich voll dabei. Schließlich sind wir Freundinnen. Übrigens wird Rudi Rollmops sehr regelmäßig von unserem Pfarrer besucht. Das weiß ich von Greta. Sie erzählt mir auch, daß sie eine Erbschaft antretet. Sie könnte das Haus dann zurückkaufen, will aber den netten Herrn Rollmops nicht vor den Kopf stoßen. Sie verstehen sich gut." "Wollen wir den armen Leuten doch auch mal was gönnen. Bis bald, Bertha."

Ein halbes Jahr später.

Erna holt die Visitenkarte aus ihren Unterlagen, die sie von Dr. Josef Maria Gierig hat, hervor. Er will sie anrufen und informieren. Allerdings könnte es drei bis vier Monate dauern. Der Gewinn kann bis zu 17 \% sein. Wollen wir doch mal nachhören. Erna wählt die Nummer auf der Karte. Eine Frauenstimme auf Band sagt: "Diese Rufnummer ist nicht vergeben." Sie wählt noch ein mal. Die Ansage wird wiederholt. Es könnte sich um einen Druckfehler handeln. Sie schaut im Internet nach der Telefonnummer und der Adresse. Sie wird nicht fündig. Danach ruft sie die Auskunft an. Absolut nichts zu machen. Sie wendet sich an Bertha und fragt sie um Rat: "Du mußt zur Polizei gehen! Vielleicht können die dir helfen? Wenn das ein Betrüger ist, kannst du nicht länger warten, sonst ist er mit dem Geld auf und davon. Also erstatte Anzeige und rufe mich zurück!" "Danke Bertha, bis dahin."

Berthas Telefon läutet. Am anderen Ende heult Erna völlig aufgelöst und hemmungslos: "Dieses Dreckschwein, mein ganzes Geld ist weg. Ich komme gerade von der Polizei. Den Namen Dr. Josef Maria Gierig kennen sie nicht. Es sind mehrere Anzeigen dieser Art erfolgt, bei denen die Betroffenen um ähnlich hohe Beträge gebracht worden sind. Es ist immer die gleiche Geschichte. Die Leute bringen Visitenkarten mit irgenwelchen Phantasienamen zur Polizei, die dieser Betrüger sich drucken läßt. Alle anderen Papiere sind ebenso gefälscht. Deshalb sucht er die Leute in ihren Häusern auf. Ein Büro oder Firma mit diesen Namen git es nicht. Er kassiert und zieht weiter. Das ist seine Masche. Sie tun alles, um ihn zu fassen. Niemand der Betroffenen weiß, ob er sein Geld je wieder sieht. Man soll eher nicht davon ausgehen." "Mein Gott Erna, wie soll es jetzt mit dir weitergehen?

Wir hatten so tolle Pläne."

Bertha und Erna sitzen bei einer Tasse Kaffee und überlegen, wie es mit Erna weitergeht. Erna holt ihre Post hervor. Die Bank will ihr Geld. Wenn sie die Raten nicht zahlt, dann droht ihr die Zwangsversteigerung ihres Hauses. "Ich will und kann meinen Lebensstil nicht viel zurückfahren. Die sollen sich mal nicht so anstellen. Ich ziehe nicht in eine popelige Wohnung. Was sollen die Leute denken? Bertha, könnte ich nicht zu dir ziehen? Das wäre die einzige Möglichkeit, die ich sehe, das Haus zu verkaufen." "Wir sind zwar befreundet, aber sei mir nicht böse, mein Häuschen hätte ich doch gerne für mich. Das kann man von mir in meinem Alter nicht verlangen.Ich kann mich nicht mehr auf einen Mitbewohner einstellen." Bertha trinkt zügig ihren Kaffee aus und gibt nun vor, noch einen Friseurtermin zu haben, der keinen Aufschub duldet.

Der Termin für die Versteigerung der Immobilie von Erna Schnipp steht fest. Der Verkehrswert ist bei 100.000,00 Euro angesetzt. Erna und Bertha fahren wieder zu einer Versteigerung. Heute fährt Bertha, da Erna nicht dazu in der Lage ist. Auch das Zurechtmachen hat jetzt nicht diese Priorität wie sonst üblich. Außerdem müssen sie nicht so übertrieben pünktlich sein. Erna will jedoch dabei sein, wenn ihr Häuschen einen neuen Käufer findet. "Da ist Greta Dickes, Erna. Was die hier will?" "Bertha, das interessiert mich momentan überhaupt nicht." Sie gehen in den Raum, nehmen in der Mitte Platz. Der Vorsitz hat wieder Herr Schleichdich. Unter den Zuschauern ist der halbe Kegelclub des Dorfes. "Hätten die nicht zuhause bleiben können? Die sitzen hier doch nur aus Neugier", regt sich Erna auf. "Hat die Polizei inzwischen eine Spur dieses Betrügers?" "Nein, hör mir bloß mit diesem Mistkerl auf, sonst bekomme ich gleich einen Herzkasper." Das Verfahren beginnt. Nach fünfzig Minuten ersteigert Greta Dickes das Haus von Erna Schnipp für 170.000,00 Euro.

Erna ist sehr blaß als Greta Dickes am Ausgang des Gebäudes auf sie zukommt und meint: "Du mußt aus deinem Haus nicht raus. Es ist genug Platz für uns beide und die Miete wird sich in Grenzen halten. Ich habe mit Pfarrer Demut und Herrn Rollmops geredet. Herr Rollmops zieht eine Etage höher, die Herrn Demut gehört und in die untere Etage wird er eine Konditorei einrichten. Er ist ein ausgezeichneter Konditormeister." Erna ist baff. Ihr fehlen die Worte, was sehr selten vorkommt. Ihr kommen die Tränen. Greta tröstet sie: "Laß uns das alles in Ruhe besprechen!"

Da meint Bertha: "Nächste Woche ist wieder eine Zwangsversteigerung." Erna: "Ohne mich."

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16. Der Ausflug

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Bei Pfarrer Demut läutet das Telefon. Er meldet sich: "Telefonseelsorge, guten Tag.'' Am anderen Ende ertönt eine bekannte Stimme: ''Erna Schnipp hier. Guten Tag Herr Pfarrer. Wir wollen mit dem Kegelclub einen Ausflug machen. Da wollte ich sie fragen, ob sie uns begleiten? Er soll an einem Sonntag stattfinden und da könnten sie uns doch unterwegs die Messe lesen.'' ''Wann soll denn dieser Ausflug sein?'' ''Den genauen Termin wissen wir noch nicht.'' ''Wo soll es denn hingehen?'' ''Das steht noch nicht fest. Wir treffen uns heute Abend im Biergarten, um die Tour genauer zu planen. Es wäre schön, wenn sie dazu kämen.'' ''Ich werde sehen, daß ich es einrichten kann. Bis später.''

Gegen 19.00 Uhr ist fast der ganze Kegelclub, der aus fünfzehn Mitgliedern besteht, im Biergarten des Dorfes versammelt. Diese Gaststätte ist bei den Besuchern hier in der Umgebung sehr beliebt. Außer gutem Essen und Trinken, einer gemütlichen Atmosphäre hat der Besitzer noch einen Spielplatz auf seinem Gelände, was die Einrichtung zudem sehr familienfreundlich macht. Auch heute herrscht mal wieder Hochbetrieb.

Bertha Schnapp, die ebenfalls im Kegelclub ist, ergreift das Wort: ''Wer ist alles dafür, daß wir eine mehrstündige Wanderung zur Almbachmühle machen, dort eine kleine Pause einlegen und danach mit dem Zug heim fahren?'' Da meldet sich Erna: ''Wir warten mal, was Pfarrer Demut meint. Er will etwas später zu uns stoßen.''

''Ich könnte uns ein paar nette Leckereien vorbereiten. Das mache ich gerne. Es wäre nur sinnvoll, wenn ich die Anzahl der Personen wüßte, die mitgehen, dann könnte ich es optimal vorbereiten'', räumt Rudi Rollmops ein. ''Oh ja, ihre Köstlichkeiten aus ihrer Konditorei liebe ich'', schwärmt Greta Dickes, die seit einem halben Jahr diesem Verein beigetreten ist.

Pfarrer Demut, der soeben gekommen ist, schlägt vor, daß man doch den Rückweg ebenfalls zu Fuß machen könnte. ''Das ist zu überlegen, doch dann kommen wir erst sehr spät zurück. Wir laufen bis zur Mühle drei Stunden, rasten mindestens eine Stunde, eine weitere Stunde für die Messe und brauchen drei Stunden für den Rückweg. Das sind gut acht Stunden'', schaltet Peter Prall sich ins Gespräch ein, der einen Kugelbauch hat und beim Kegeln mehr trinkt als der Rest des Vereins zusammen. Als Metzger und Schlachter liefert er jedoch erstklassige Ware.

Auf dem Spielplatz, der zu diesem Gasthof gehört, bauen drei Buben eine Sandburg. Mit viel Geduld schaufeln sie Sand um die Burg raus, daß ein Graben entsteht, den sie jetzt mit Wasser füllen.

Während die Clubmitglieder weiter ihren Ausflug planen, beobachten sie das Treiben der Kinder. Der größte Junge will der Chef sein und streitet mit den anderen, daß er den Tunnel durch die Burg graben will. Er nimmt seine Schaufel hoch und droht: ''Ich mache den Tunnel, sonst haue ich dir eins aufs Maul.'' Dabei sieht er den Kleinsten böse an.

''Daß die immer so streiten müssen. Das gehört wohl bei Kindern dazu. Aber wir müßten uns mal über einen Termin einig werden'', so Erna. ''Nächsten Sonntag kann ich nicht'', meldet sich Bertha. ''Ich kann erst wieder im Oktober'', sagt Peter Prall. ''Was soll ich da sagen, der Sonntag ist mein Hauptgeschäft'', meint Rudi Rollmops. ''Ich bräuchte für jeden Sonntag einen Kollegen, der die Messen in unserem Dorf hält'', so der Pfarrer.

Auf dem Spielplatz geht es turbulent zu. Der kleinste Junge ist inzwischen am heulen, weil der Mittlere ihn an den Haaren zieht.

Bertha: ''Ich schlage vor, daß wir das Datum erst mal offen lassen.'' ''Sind wir uns denn über das Ziel einig oder sollten wir noch eine Stadtbesichtigung anschließen?'', meint Greta. ''Da gibt es eine Brauerei in der Nähe der Mühle, die ist hervorragend. Da muß man nicht so weit laufen und wenn wir wollen, könnten wir uns von einem Bus abholen lassen. Der müßte vorher nur bestellt werden.'' ''Das paßt zu dir. Ein bißchen Bewegung täte dir ganz gut'', greift Erna Peter Prall an, der sich soeben sein fünftes Bier innerhalb einer Stunde bestellt.

''Zu einem Besäufnis fahre ich nicht mit'', so der Geistliche. ''Von einem Besäufnis war keine Rede'', so Peter zu dem Parrer. ''Dir würde Bewegung auch nicht schaden. Du bewegst doch hauptsächlich deinen Mund'', geht Peter jetzt auf Erna los. ''Wir müssen uns auf etwas einigen, aber das werden wir heute Abend nicht mehr schaffen. Laßt uns den Ausflug ein anderes mal machen. Vielleicht im nächsten Jahr? Es ist schön, daß wir darüber geredet haben'', lenkt Rudi Rollmops ein.

Nebenan sind die Kinder mit ihrer Sandburg fertig. Zwei von drei Kinder sind am weinen. Da meint Greta: ''So eine schöne Burg, die könnten jetzt gut spielen, wenn sie sich nur mal einigen könnten.''

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17. Martha startet durch

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Martha Marotte ist Mitte vierzig, verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn, der längst flügge ist. Ihr Mann ist als Elektriker oft auf Montage. In der vielen Zeit, die sie mittlerweile hat, macht sie sich so ihre Gedanken, eine richtig gute Aufgabe in ihrem Leben zu finden, die eine Herausforderung für sie darstellt.

Ein paar Jobs probiert sie aus. Es entspricht jedoch keiner dieser Tätigkeiten ihrer wahren Bestimmung. Sie will sich in ihrem Alter nicht von irgend einem Schnösel, der sich Chef nennt, herumschikanieren lassen. So zieht sie es in Betracht, sich selbständig zu machen. Es bleibt nur noch die Frage offen in welcher Branche?

Da klingelt das Telefon. Am anderen Ende ist Erna Schnipp. "Hallo Martha, stell dir vor, was mir passiert ist. Mir ist eben ein Eimer umgekippt mit zehn Liter Schmierseife. Das ist eine Schweinerei. Diese großen Dinger. Ich kann nicht lange reden. Das Chaos muß ich beseitigen, bevor mein Besuch kommt. Ich wollte nur wissen, ob du heute auch kommen willst?" !Gerne Erna, dann viel Spaß beim Putzen."

Es wäre doch sinnvoll, keine so großen Mengen an die Kunden zu verkaufen. Ein Liter pro Eimer würde doch auch genügen und den Abnehmern dann für 10 oder 50 Stück, einen Mengenrabatt zukommen zu lassen. Da kommt Martha die Idee. Ja warum soll sie nicht in diese Marktlücke gehen?

Sie spielt diesen Gedanken durch. Wenn sie sich genügend kleine Behälter günstig beschaffen würde, ein paar zehn Liter Eimer könnte sie sich ebenfalls besorgen und in ihrer Garage damit beginnen, sie umzufüllen. Dann könnte sie sie weiter verkaufen. Das wäre dann ihr Schritt sich selbst zu verwirklichen. Der Gedanke des Unternehmens ist soeben geboren. Sie will erst mal mit niemandem darüber reden, denn sie fürchtet dann schnell Konkurrenz.

Sie bestellt im Internet bei der Firma Saubermann 1.000 Eimer Schmierseife mit je zehn Liter Inhalt. Diese Menge lohnt sich, denn ein Eimer kostest 25,00 Euro und bei einer Abnahme von 1.000 Stück bekommt sie diese statt für 25.000,00 Euro für 23.000,00 Euro, und zwar per Express. Das ist ein Schnäppchen. Für weitere 5.000,00 Euro bestellt sie kleine Plastikbehälter. Mehr braucht sie momentan nicht.

Martha plündert ihr Sparbuch, auf dem sich 25.000,00 Euro befinden und überzieht ihr Girokonto um 3.000,00 Euro. Sie muß investieren. Sie will einen Liter Eimer zu einem Preis von 10,00 Euro verkaufen mit einem Selbstkostenpreis von 3,50 Euro inklusive dem kleinen Behälter.

Martha beginnt die Garage aufzuräumen, denn schließlich müssen 1.000 zehn Liter Eimer ihren Platz haben. Sie muß sich damit beeilen und sagt den Termin bei Erna ab: "Schnipp" "Hallo Erna, ich kann heute Mittag nicht zu dir kommen. Ich habe ein ganz großes Ding am laufen. Bei mir klingelt es. Das wird die Lieferung sein. wir reden später."

Ein LKW steht vor Marthas Haus. Das Transportunternehmen lädt mehrere Paletten Schmierseife ab, dessen Empfang Martha bestätigt. Sie läßt die Ware für einen Aufpreis von 100,00 Euro in die Garage bringen.

Martha macht sich gleich an die Arbeit. Sie stellt den alten Küchentisch in die Garage, öffnet den ersten zehn Liter Eimer Schmierseife und beginnt mit der Umfüllung in die kleineren Behälter, die inzwischen ebenfalls bereit stehen. Nach mehreren Stunden hat sie 5 zehn Liter Eimer in 50 ein Liter Eimer umgefüllt. Mit einem großen Plastiktrichter klappt es ganz gut. Jetzt werden die kleinen Behälter mit einem Edding beschriftet.

Sie ist stolz auf sich. Wenn die Sache erst mal richtig ins Rollen kommt, kann sie Greta Dickes anstellen, die sich 400,00 Euro sicher gerne dazu verdienen wird. Das Kaufmännische will sie Erna überlassen, aber das hat Zeit. Zuerst soll das Geschäft anlaufen.

Inzwischen meldet sich Marthas Mann und teilt ihr mit, daß er noch länger auf Montage ist und daß es ihm gut geht. "Bei mir ist auch alles im grünen Bereich", teilt Martha munter mit. Sie erwähnt mit keinem Wort die neue Funktion ihrer Garage. Das soll eine Überraschung werden. Etwas später meldet sich ihr Sohn, der am Wochenende kommen wollte, ebenfalls für längere Zeit ab. Er müsse für sein Studium lernen.

Martha will diese Zeit sinnvoll nutzen, um die Umfüllung der Schmierseife schneller voranzutreiben. Sie steht in ihrer Garage und das Kreuz tut ihr bereits weh, da sie schon seit drei Tagen nichts richtiges ißt, kaum Pausen einlegt, nicht ans Telefon geht und nur noch mit der Umfüllung beschäftigt ist. 300 große Eimer sind in 3.000 kleine gefüllt. Sämtliche Regale sind voll. Wohin mit den großen leeren Eimern? Sie stapelt sie hinter dem Haus. Es wird sich schon eine andere Lösung finden, aber nicht heute.

Um zügiger mit der Arbeit voranzukommen, ruft Martha Greta an. "Gerne will ich dir helfen. Ein kleiner Verdienst zu meinem Friseurinnengehalt kann ich brauchen. Um 20.00 Uhr kann ich bei dir sein." Greta und Martha arbeiten zusammen wie besessen.

Nach einigen Tagen sind die Umfüllarbeiten mit den vorhandenen Behältern beendet. 10.000 ein Liter Eimerchen warten auf Kundschaft. "Du hast einen hervorragenden Geschäftssinn. Wenn der Laden richtig in Schwung kommt, kann ich bei meinem Friseur kündigen und bei dir groß einsteigen", so Greta. "Außerdem habe ich auch noch Geld, was ich in dieses Unternehmen investieren kann." "Das willst du tun? Super, wir können dann noch weitere Garagen oder eine Lagerhalle mit Verkaufsraum mieten. Dazu müssen wir die Ware im Internet anpreisen. Mit dem Internet kennt sich Erna gut aus. Mein Mann wird staunen, wenn er kommt, wenn er das hier sieht. Und mein Sohn erst. Er studiert BWL, aber ich sage dir, das hier ist die Praxis", kommt Martha ins Schwärmen.

"Hier Firma Saubermann. Was kann ich für Sie tun?" "Martha Marotte ist mein Name. Ich habe ein Problem. Ich habe Schmierseife bei Ihnen gekauft und weiß nicht wohin mit den leeren Eimern? Nehmen Sie sie zurück? Ich weiß, daß kein Pfand darauf ist. Ich würde sie Ihnen schicken." "Das ist nicht üblich bei uns. Wie viele sind es denn?" Der Herr am anderen Ende der Leitung ist zwar freundlich, aber nicht sehr entgegenkommend. "1.000 zehn Liter Eimer." "Wie kommen Sie denn zu einer solchen Menge? Haben Sie die über mehrere Jahre gesammelt?" "Nein, seit 14 Tagen-" "Was machen Sie denn damit?" Martha weiß nicht wieso und weshalb, aber sie gerät ins Plaudern und erzählt dem sympathischen Mitarbeiter der Firma Saubermann von ihrem Vorhaben.

"Hören Sie, ich kann Ihnen ein Liter Schmierseife für 4.00 Euro anbieten, wenn Sie 10 Stück nehmen für 3,50 Euro und bei 100 Stück macht der Liter nur noch 3,00 Euro. Bei einer Menge von 10.000 Stück kostet ein Liter bei der Firma Saubermann nur noch ganze 2,00 Euro und den brauchen Sie nicht mal selbst abzufüllen. Das machen wir maschinell. Das geht ruckzuck. Unser Produkt verkaufen wir zudem noch im zwei Liter Eimer und im fünf Liter Eimer, je nach Bedarf" Martha stockt der Atem. Mit zaghafter Stimme meint sie: "Sie wollen doch nicht damit andeuten, daß ich mir diese Arbeit umsonst gemacht habe? Das Zeug kauft doch kein Mensch bei mir." "Tut mir leid, aber ich fürchte das trifft es auf den Punkt." "Was mache ich denn jetzt nur mit diesem Zeug? Wenn ich es Ihnen wieder in die Originalbehälter fülle, nehmen Sie es dann zurück?" Martha ist der Verzweiflung nahe. Der Mitarbeiter am anderen Ende erklärt Martha, daß selbst wenn er es wollte, das auf keinen Fall geht, schon allein aus sicherheitstechnischen Gründen und sonstigen Vorschriften." Martha ist den Tränen nahe. Da meint der freundliche Herr: "Liebe Frau Marotte, wenn Ihnen diese Arbeiten im Umgang mit Schmierseife einen solchen Spaß machen, unser Unternehmen sucht momentan noch ein paar fleißige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen."

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18. Young Forever

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

18.1. Teil

''Hören sie, es tut mir leid. Können wir die Präsen­tat­ion für 'YOUNG FOREVER' auf nächste Woche verschieben?'', versucht Beppo Popanz sich am Telefon bei seinem Chef herauszuwinden.

''Also Herr Popanz, die Herrschaften kann ich nicht mehr länger hinhalten. Wie stellen sie sich das vor?! Die sitzen bereits beim Frühstück in unserem Konferenzraum. Ich erwarte, dass sie innerhalb von zehn Minuten hier sind. Also, bis gleich, Herr Popanz!''

Mist, er hat den Wecker nicht gehört. Dabei ist es so wichtig für ihn, dass diese Pille ihre Abnehmer findet. Das ist sein Durchbruch. Die nächste Filiale, die der Konzern eröffnet, unterliegt seiner Leitung. Das hat ihm sein Chef zugesichert, wenn die Sache mit 'YOUNG FOREVER' gut läuft. Er hat unzählige Überstunden gemacht, um die Entwicklung dieser Pille voranzutreiben. Seit zwanzig Jahren arbeitet er jetzt in der Firma ''Schluck'', die pharmazeutische Produkte herstellt. 'YOUNG FOREVER' ist getestet und für den Markt freigegeben.

Beppo Popanz ist von dieser Pille überzeugt. Es sind keine Nebenwirkungen bekannt. Sie stoppt den Alterungsprozess, schon nach fünf Tagen der Einnahme. Täglich eine Tablette davon genügt und man wird nur noch auf dem Papier älter. Setzt man sie wieder ab, altert man weiter. Jeder kann jetzt selbst bestimmen, wie alt er aussehen will. Ab welchem Alter er diese Pille nimmt und wann er weiter altern will oder überhaupt. Das ist revolutionär.

Beppo ist stolz auf sein Projekt. 'YOUNG FOREVER' ist auch nicht verscheibungspflichtig. Allerdings trägt die Krankenkasse die Kosten für 'YOUNG FOREVER' nicht, da es unter Pflegeprodukte fällt. Aber mit tausend Euro im Monat pro Person ist man dabei. Eine Packung enthält zweiunddreißig Pillen - also erschwinglich. Da dieses Präparat ohne Rezept erhältlich ist, kann es nicht nur in Apotheken angeboten werden. Es soll in jedem Discounter zu kaufen sein, an Tankstellen, ja es sollen sogar Automaten aufgestellt werden und selbstverständlich kann man es auch online bestellen. Für jeden zu jeder Zeit und überall soll 'YOUNG FOREVER' zu haben sein.

Ein paar Minuten später erreicht Beppo Popanz völlig außer Atem den Konferenzraum der Firma ''Schluck''. Sein Chef kommt ihm mit einem säuerlichen Gesicht entgegen. Da stammelt Beppo: ''Guten Morgen, entschuldigen sie{…}'' Der Chef schneidet ihm jedoch gleich das Wort ab und kündigt ihn der bereits wartenden Truppe an. Er macht seine Präsentation, die ein riesiger Erfolg wird. Alle wollen dieses Produkt schon gestern haben. Da strahlt sein Chef und äußert voller Stolz auf seinen besten Mitarbeiter, Beppo Popanz: ''Wer von 'YOUNG FOREVER' keinen Gebrauch macht, sieht bald ganz schön alt aus.''

18.2. Teil

Ich habe nächste Woche einen Vorstellungstermin als Empfangsdame beim ''Maximum''. Das ist der Nobelschuppen. In dem Hotel steigen nur die Reichen ab'', verkündet Ina ihrer Freundin stolz. Eva und sie sitzen bei einem gemeinsamen Frühstück. ''Da drücke ich dir fest die Daumen. Du hast ja Erfahrung in diesem Bereich und mit deinem Aussehen gibt man dir die Vierzig nicht. Zum Glück gibt es ja 'YOUNG FOREVER'. Da kannst du in Berufen, bei denen auf das Äußere manchmal mehr Wert gelegt wird als auf das Können, arbeiten bis zum Umfallen.'' ''Ich nehme diese Pille nicht.'' ''Was, du nimmst die nicht?! Das ist nicht dein Ernst.'' ''Nein, ich bin da ein wenig eigen.'' Eva schaut ihre Freundin ungläubig an: ''Du machst wohl Scherze. Alle meine Freundinnen nehmen sie, meine Mutter, meine Oma und auch viele Männer. Die hängen es nicht so an die große Glocke.'' ''Ich halte nichts davon.''

''Du solltest 'YOUNG FOREVER' unbedingt nehmen, sonst wirst du bald zu den Außenseitern unserer Gesellschaft gehören! Wir werden zwar alle immer älter, aber das soll doch keinem auffallen. Alt auszusehen ist heute out. Also besorge dir dieses Mittel! Ich meine es nur gut mit dir.'' ''Ich weiß nicht so recht? Vielleicht hast du ja recht?'' ''Ganz sicher. Übrigens steht heute ein Artikel in der Zeitung. 'YOUNG FOREVER' heißt jetzt 'BEPPO' nach seinem Entwickler, Beppo Popanz. Klingt auch viel netter und so sexy. Ich habe mein 'BEPPO' heute schon genommen. Richtig süß. Auf jeden Fall soll es für die Herstellung von 'BEPPO' in Deutschland zehn neue Betriebe geben, die rund um die Uhr arbeiten. Sie wird nur in Deutschland hergestellt. Das können die sich erlauben, trotz der hohen Lohnkosten. Sie wird aber weltweit exportiert. 'BEPPO' kostet inzwischen auch nur noch ein Zehntel. Als 'BEPPO' vor einem Jahr auf den Markt kam, hat die Packung fast ein Monatsgehalt verschlungen. Sogar in den Entwicklungsländern wird mittlerweile mehr Geld für 'BEPPO' ausgegeben als für Essen. Lieber hungern sie, anstatt zu altern. Diese Pille ist sensationell.'' ''Das ist alles recht interessant, aber … ich muss los'', bemerkt Ina und verabschiedet sich von Eva. ''Ruf mich an, wie das Vorstellungsgespräch verlaufen ist!''

Gleich nach dem Termin im ''Maximum'' meldet sich Ina bei Eva: ''Es ist dumm gelaufen.'' ''Du hast die Stelle nicht bekommen?'' ''Erraten.'' ''Das tut mir leid. Haben sie einen Grund genannt?'' ''Ja, allerdings.'' ''Erzähl!'' ''Also meine Zeugnisse sind in Ordnung. Wir sind uns auch soweit über alles einig. Da fragen sie mich abschließend. Sie nehmen doch sicher 'BEPPO' oder? Ich sage, dass ich davon keinen Gebrauch mache. Da sagen die mir, dass ich mir das in diesem Arbeitsbereich schon 'mal gar nicht leisten kann. In allen Branchen, wo es nur minimal auf das Äußere ankommt, will in ein paar Jahren niemand mehr ein Gesicht sehen, was älter als fünfundzwanzig Jahre aussieht. Für solche Leute wie sie, kommen dann nur noch Nachtschichten ohne Publikumsverkehr in Frage. Wenn überhaupt!'' ''Das ist der Zahn der Zeit. Ich kann die Leute verstehen. Entschuldige, aber ein Nobelhotel ist schließlich keine Geisterbahn. Ich habe dich ja gewarnt. Und jetzt?'' ''Jetzt habe ich ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich kein 'BEPPO' genommen habe.''

18.3. Teil

Hansi Spritzig: ''Guten Abend sehr geehrte Damen und Herren. Ich begrüße sie herzlich in meiner Talkshow, ''Menschen bei Hansi Spritzig''. Meinen heutigen Gast brauche ich ihnen nicht vorzustellen, da ihn schon jeder kennt. Da kommt er schon. Es ist Beppo Popanz. Bitte nehmen sie Platz! Heute heißt unsere Sendung ''Berühmtheiten und andere Menschen'' und ich freue mich sehr, dass sie zu uns gekommen sind.'' Beppo Popanz: ''Ich freue mich auch.''

Hansi Spritzig: ''Sie strahlen so. Ja man sieht ihnen den Erfolg richtig an. Sie sind mittlerweile ungelogen genauso bekannt, wie der Präsident der Vereinigten Staaten. Fühlen sie sich wohl in ihrer Haut?'' Beppo Popanz: ''Ja, man gewöhnt sich schnell an Erfolg. Es ist sehr angenehm, nur noch zu seinem Vergnügen zu arbeiten. Es ist ja nicht nur das Geld. 'BEPPO' hat so viel Gutes gebracht, außer des Stopps des Alterns hat es viele Arbeitsplätze geschaffen. Wir arbeiten nicht mit Leiharbeitskräften. Alle unsere Angestellten sind in einem festen Arbeitsverhältnis und werden gut bezahlt.''

Hansi Spritzig: ''Sie haben schon ein paar Preise bekommen für 'BEPPO'. Verraten sie uns doch mal, welche das sind!'' Beppo Popanz: ''Als erstes bekam ich den fränkischen Innovationspreis.'' Hansi Spritzig: ''Wo stammen sie denn her?'' Beppo Popanz: ''Aus einem Dorf in Unterfranken.'' Hansi Spritzig: ''Da sind die Leute in ihrem Dorf sicher sehr stolz auf sie?'' Beppo Popanz: ''Ich bin weltweit unterwegs. Mir unterstehen mittlerweile hundert Filialen und nur zwanzig davon sind in Deutschland. Wir haben jetzt auf den anderen vier Kontinenten auch je zwanzig Produktionsstätten, so dass wir Arbeitsplätze nicht nur in Deutschland schaffen.''

Hansi Spritzig: ''Welche Preise haben sie noch bekommen?'' Beppo Popanz: ''Den bayerischen Innovationspreis, das Bundesverdienstkeuz und jetzt bin ich für den Friedensnobelpreis nominiert.'' Hansi Spritzig: ''Da gratulieren wir ihnen alle ganz herzlich. Gleich kommen noch zwei andere Gäste. Bitte bleiben sie dran! Jetzt gehen wir erst 'mal in die Werbung:''

'BEPPO' 'BEPPO' 'BEPPO'

'BEPPO' hält dich jung - nimm 'BEPPO' - sei nicht dumm!

'BEPPO' 'BEPPO' 'BEPPO'

Want you be young forever, forget your 'BEPPO' never!

'BEPPO' 'BEPPO' 'BEPPO'.

18.4. Teil

Hansi Spritzig: ''Jetzt begrüße ich zwei Damen, die sich mit mir über 'BEPPO' unterhalten wollen. Es sind Ina Weiss und Eva Schwarz. Setzen sie sich ruhig neben Herrn Popanz! Er wird sie schon nicht beißen.

Frau Weiss nehmen sie 'BEPPO'?'' Ina Weiss: ''Nein, ich halte von Tabletten nichts.'' Hans Spritzig: ''Darf ich fragen, wie alt sie sind?'' Ina Weiss: ''Ich bin vierzig und stehe dazu.'' Hansi Spritzig: ''Ich hätte sie jetzt für jünger gehalten, obwohl sie kein 'BEPPO' nehmen.'' Ina Weiss: ''Danke, das hört man gern.'' Hansi Spritzig: ''Haben sie es jemals bereut, es nicht zu nehmen'' Ina Weiss: ''Ja schon. Aber ich habe inzwischen Informatik studiert, arbeite von zu Hause aus und bin sehr erfolgreich. Ich kann es mir mittlerweile erlauben, auf diese Pille zu verzichten.'' Hansi Spritzig: ''Werden sie von ihren Freunden ausgegrenzt oder schon 'mal darauf angesprochen, weil sie von diesem Produkt keinen Gebrauch machen?'' Ina Weiss: ''Ausgegrenzt werde ich nicht, aber angesprochen schon, Ich will jetzt Herrn Popanz nicht beleidigen. Er tut viel Gutes für die Menschheit. Aber ich finde es merkwürdig, wenn eine Siebzigjährige jünger aussieht als eine Dreißigjährige oder der Enkel älter erscheint als der Opa. Es soll ja noch so ein paar Außenseiter wie mich geben.''

Beppo Popanz: ''Jetzt muss ich mich aber einschalten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Leute mit ihrer Meinung vom Aussterben bedroht sind. Die wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Entschuldigen sie, wenn ich so offen spreche, aber ich glaube nicht, dass man sie in eine Sendung wie der heutigen einladen wird, wenn sie weiter diese Meinung vertreten.'' Ina Weiss: ''Entschuldigen sie. Herr Popanz, ich bin nicht darauf angewiesen, in Talkshows aufzutreten. Auch wenn ich nicht so viel verdiene wie sie und nicht so viele Preise habe, lasse ich mich nicht von ihnen beleidigen.'' Beppo Popanz: ''Das sind nun 'mal die Fakten.''

Hansi Spritzig: ''Kommen wir 'mal zu ihnen Frau Schwarz. Nehmen sie 'BEPPO'?'' Eva Schwarz: ''Ja, ich nehme es schon lange, gleich nach dem es auf den Markt gekommen ist.'' Hansi Spritzig: ''Sie sehen etwa gleichaltrig aus. Darf ich sie auch fragen, wie alt sie sind?'' Eva Schwarz: ''Ich bin zehn Jahre jünger als Ina.'' Beppo Popanz: ''Das kann nicht sein.'' Eva Schwarz: ''Ich zeige ihnen gerne meinen Ausweis. Da bitte, schauen sie!'' Beppo Popanz: ''Es gibt Ausnahmen,'' Eva Schwarz: ''Ich wollte es erst nicht sagen, aber ich habe 'BEPPO' eine Weile nicht genommen, nehme es jetzt aber wieder.'' Beppo Popanz: ''Das war ein Fehler. Das Medikament soll nie abgesetzt werden, wenn man 'mal mit der Einnahme dieser Pille begonnen hat.''

Hansi Spritzig: ''Herr Popanz ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass inzwischen herausgefunden wurde, dass, wenn man 'BEPPO' absetzt, der Alterungsprozess doppelt so schnell voranschreitet?'' Beppo Popanz: ''Sind wir 'mal ganz ehrlich, diese Pille hat doch wesentlich mehr erreicht, als den Schaden, den sie anrichtet.'' Hansi Spritzig: ''Wird dieses Mittel jetzt vom Markt genommen?'' Beppo Popanz: ''Wo denken sie hin. Wir empfehlen den Verbrauchern ja ausdrücklich, mit 'BEPPO' nicht zu pausieren. Es können sogar Schwangere nehmen. Alles kein Problem. Wenn jedes Medikament, das Nebenwirkungen aufweist vom Markt genommen würde, dann gäbe es keine mehr.''

Hansi Spritzig: ''Herr Popanz, nun will ich sie abschließend doch noch fragen, haben sie nicht manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn sie in der Zeitung lesen, dass nicht jeder mit den Konsequenzen, die das Absetzen von 'BEPPO' mit sich bringt, leben kann? In den USA wollte sich neulich eine Frau das Leben nehmen. Sie hat die Pille abgesetzt und kam mit dem beschleunigten Alterungsprozess nicht zurecht?'' Beppo Popanz: ''Das tut mir schon leid, aber es gibt auch viele Verkehrstote und trotzdem werden weiter Autos gebaut. Ich habe natürlich von dem Fall in den USA gehört. Die Frau hat aber überlebt, nimmt inzwischen wieder 'BEPPO'. Ja, sie wollte sich aus dem Fenster stürzen. hatte aber vor lauter Aufregung vergessen, dass sie im Erdgeschoss wohnt.''

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19. Wir bringen Sie nach Hause

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Ich wünsche dir viel Glück. Du wirst es schon schaffen. Lass dich noch ein letztes Mal drücken, mein Guter'', muntert Detlef seinen Liebsten auf. Rudi Rollmops ist Detlefs große Liebe. Heute hat er noch einen wichtigen Termin, zu dem er seinen besten Anzug angezogen hat und sich extra passende Schuhe gekauft hat, die nicht ganz billig waren. Aber was soll`s, schließlich braucht er diesen Kredit.

Bertha greift zum Telefon, um Emma. ihre beste Freundin anzurufen. Gleich ist Emma auch schon am Rohr: ''Schnipp'' ''Hallo Emma. Hier ist Bertha. Wie wäre es, wenn wir uns 'mal wieder zusammen mit Greta im Gasthaus treffen? So auf ein Gläschen; Greta trinkt sowieso keinen Alkohol und wir müssen ja nicht so viel trinken, wie beim letzten Mal.'' ''Gute Idee, ich werde Greta anrufen. Wir treffen uns um 17.00 Uhr im Gasthaus. Wir werden pünktlich sein'', so Emma.

Rudi Rollmops steuert auf das Bankgebäude zu, in dem er gegen 17.00 Uhr einen Termin mit dem Sachbearbeiter hat, der für seine Kreditvergabe zuständig ist. Vor dem Gebäude nimmt er sein schwarzes Aktenköfferchen, öffnet es und wirft einen letzten Blick hinein. Beruhigt schließt er den Koffer. Er hat alle nötigen Unterlagen dabei.

Bertha Schnapp, Emma Schnipp und Greta Dickes sind die ersten Gäste heute Abend. Malte, der attraktive Kellner kommt an ihren Tisch, um ihre Bestellung entgegenzunehmen. Greta bestellt sich wie üblich ein Mineralwasser. Bertha und Emma lassen sich ihren Lieblingsrotwein kommen. Der neueste Dorftratsch wird ausgetauscht. Es herrscht eine gute Stimmung. Weitere Runden werden geordert. ''Wir sollten uns eine Flasche kommen lassen. Das ist preiswerter und außerdem muss Malte nicht so oft laufen'', schlägt Emma vor.'' Da sollten wir unbedingt Rück­sicht nehmen''. stimmt Bertha zu. Die Frauenrunde wird immer ausgelassener. Während Greta sich an ihr Wasser hält, lassen Bertha und Emma sich die fünfte Flasche Wein bringen. Bertha fängt an zu singen und Emma stimmt ein. Greta wird die Situation etwas peinlich, da ihre Freundinnen nicht gerade leise sind. Jetzt ruft Bertha Malte an den Tisch. ''Ihr solltet euch etwas zurück halten. Wir wollten doch gar nicht so lange bleiben'', so Greta. ''Ich bringe gerne Nachschub'', ruft Malte als er entdeckt, wie Emma ihm die leere Flasche zeigt. ''Sechs Flaschen Wein in zwei Stunden. Das versteht ihr unter wenig.'' ''Greta, du bist zu streng mit uns. Bertha und ich haben schon ganz andere Touren hinter uns.''

Im Bankgebäude sitzt Rudi Rollmops seinem Sachbearbeiter gegenüber. ''Da haben wir ja soweit alles geklärt, Herr Rollmops. Ich wünsche ihnen viel Freude bei der Renovierung ihrer Konditorei. Wann soll es denn losgehen?'' ''Nächste Woche kommen die Handwerker und wenn alles gut läuft, können wir in zwei Monaten wieder zum normalen Betrieb übergehen.'' ''Ja ihr Geschäft ist wirklich eine Goldgrube.'' Besser konnte es für Rudi Rollmops nicht laufen. Gut gelaunt verlässt er das Gebäude.

Etwa zur selben Zeit bezahlen zwei stark angetrunkene und eine nüchterne Dame ihre Rechnung bei Malte. Beim Verlassen des Gasthauses hat Bertha ein paar Probleme ihr Gleichgewicht zu halten. Sie hängt sich bei Emma ein, die ebenfalls Mühe hat geradeaus zu gehen. Greta hält etwas Abstand zu den beiden. Sie geht zwei Meter hinter ihnen.

Rudi ist guter Dinge und freut sich, die gute Nachricht seinem Schatz zu überbringen. Detlef wird sicher ein Fläschchen Wein öffnen mit dem sie dann anstoßen werden. Seit einem halben Jahr lebt er mit Pfarrer Detlef Demut zusammen. Das Gerede der Leute hat inzwischen auch nachgelassen. Er ist in Hochstimmung. Als er den Marktplatz erreicht, entdeckt er eine merkwürdige Truppe von Frauen, die singend und schwankend auf ihn zukommt. Interessiert und etwas verwundert beobachtet er dieses Treiben und denkt sich, ob die noch sicher nach Hause finden? Da erkennt er Emma Schnipp und Bertha Schnapp, die sich gegenseitig stützen und dahinter Greta Dickes, die wie üblich die einzig Nüchterne zu sein scheint. Ob sie wohl alleine mit den beiden klarkommt? Lieber will er 'mal nachsehen. ob er ihnen helfen kann.

Als er über das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes auf die Damen zugeht, spielen ihm seine neuen teuren Schuhe einen Streich. Sie sind zu glatt für diesen Bodenbelag. Plötzlich befindet er sich auf dem Boden. Im ersten Schreck sieht er nach seinem Anzug und ärgert sich, dass er total schmutzig ist. Erst ein paar Minuten später nimmt er den Schmerz wahr. Beine und Arme tun weh. Es ist wie ein Filmriß. Wie konnte das passieren? Er versucht aufzustehen. Es gelingt ihm aber nicht. Neben ihm liegt sein Aktenkoffer.

Kurze Zeit später befindet sich Rudi Rollmops in der Mitte von Bertha Schnapp und Emma Schnipp, die ihn aufrichten und ihm Hilfe anbieten. Greta bleibt wie versteinert stehen und beobachtet, wie sich ihre angetrunkenen Freundinnen an dem Verletzten zu schaffen machen. Sie richten ihn auf und kümmern sich, ohne groß zu überlegen. Greta zückt ihr Handy. Das muss festgehalten werden. ''Greta steck' das verdammte Handy weg. Es gibt Wichtigeres zu tun'', ruft Emma. ''Nimm du wenigstens seinen Aktenkoffer'', gibt Bertha den Ton an.''Herr Rollmops, wir bringen Sie nach Hause.''

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20. Wir renovieren

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

Gleich bin ich bei dir. Ich muss nur noch tanken. Dann komme ich vorbei'', so Jan Schnapp zu seiner Tante am Telefon. Jan Schnapp hat seiner Tante Bertha versprochen, dass er ihr in den Sommerferien das kleine Gästezimmer tapeziert, welches er bewohnt, wenn er sie besucht. "Ja, mein Junge, dann bis gleich'', antwortet Bertha Schnapp. "Ach Tante Bertha, würde es dir was ausmachen, eine Kleinigkeit zu kochen? Die gefüllten Klöße wären echt lecker.'' Das nennt er eine Kleinigkeit, denkt sich Bertha. "Bis später, Jan.''

Jan fährt zur Tankstelle. Dort trifft er Peter Prall, den Metzger aus dem Dorf. "Hallo Jan, wie geht es denn so? Ich habe heute meinen Ruhetag. Wie wäre es mit einem Frühschoppen?'' "Ich habe meiner Tante versprochen zu tapezieren. Aber so ein Stündchen könnte ich ruhig mitkommen.'' Aus einem Stündchen sind zwei geworden, da beide gerne plaudern und der Metzger noch lieber trinkt.

Bertha Schnapp ist währendessen damit beschäftigt, das Essen vorzubereiten, fragt sich aber doch, wo ihr Neffe bleibt. Schließlich ist im Dorf nur eine Tankstelle. Wenn er zügig arbeitet, könnte er diese Woche mit dem Raum fertig werden. Schließlich muss er nächste Woche wieder in die Schule, wo er unterrichtet. Das Zimmer hat sie ausgeräumt, die alte Tapete von den Wänden entfernt, die neuen Tapeten besorgt und alles andere was man zum Tapezieren braucht. Zu ihrem Neffen Jan hatte sie schon immer ein gutes Verhältnis. Vielleicht liegt es an der Gemeinsamkeit des Lehrerberufes.

Drei Stunden nach dem Anruf steht Jan bei Bertha auf der Matte. "Hallo Tante Bertha.'' Er berichtet ihr von Peter Prall und danach lassen sie es sich gut schmecken. Jan isst drei Teller, wie üblich, und gibt zu verstehen, dass er jetzt erst 'mal müde ist und sich ein wenig hinlegen müsse, sonst wird das nichts. Dafür zeigt Bertha Verständnis und räumt die Küche auf.

Gegen Abend wird Jan wieder wach. "Tante Bertha, es ist fast dunkel. Heute brauchen wir nicht mehr anzufangen. Wenn man kein richtiges Licht hat, geht das gar nicht.''

Am nächsten Morgen teilt Jan der Tante mit, dass er einen Kasten Bier besorgen müsse, denn bei handwerklichen Arbeiten, trinke er immer Bier. Alles ginge dann wie von selbst. Bertha sagt nichts dazu. Er wird schon wissen, was er tut, denkt sie sich.

Jan bringt den Kasten Bier ins Haus und meint: "Zuerst werde ich 'mal eine Flasche probieren. Das ist eine Sorte, die ich nicht kenne. Da kann man nie wissen.'' Jan scheint diese Sorte gut zu schmecken. Nach ein paar Flaschen liegt er auf dem Sofa und schläft. So sind jetzt zwei Tage vergangen. Drei Tage hat er ja noch Zeit, denkt Bertha.

Am dritten Tag fällt Jan beim Frühstück ein, dass er in den Baumarkt muss. Nylon und Klebeband fehlen. "Tante Bertha, wir hätten das Projekt besser planen müssen. Ich muss noch in den Baumarkt.'' "Was sein muss, muss sein'', so Bertha.

Am Abend erst kehrt Jan zurück. "Ich habe Peter Prall im Baumarkt getroffen, er ist auch am renovieren. Er er­zähl­te mir, dass er es gut geplant habe, dass nichts fehlen darf. Diese ganzen Fahrten in den Baumarkt seien nur nervig. Ja es darf auch nicht zu heiß sein, denn sonst trockne der Kleister zu schnell und auch nicht zu kalt, denn man müsse ja lüften. Aber vor allem, sei es wichtig, dass ausreichend Getränke im Haus seien.''

Am nächsten Morgen meint Bertha: "So mein Junge, zwei Tage haben wir ja noch. Wenn wir das zusammen machen, können wir es noch schaffen.'' In diesem Moment klingelt das Handy von Jan, Am anderen Ende ist Peter Prall. "Tante Bertha, du weißt ja Peter Prall ist auch am renovieren. Er braucht meine Hilfe. Für zwei Tage. Ich muss sofort los.''

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21. Kann ich helfen?

Copyright 2023: Beate Biewer-Hellbrück

''Schleichdich'', meldet sich eine sympathische Män­ner­stimme am Telefon. ''Hallo, alter Junge. Ich bin's Malte. Wir könnten uns 'mal wieder treffen. '' ''Ja, komm' doch heute Abend zu mir 'rauf.'' Sebastian Schleichdich legt den Hörer auf und über­legt, dass es angebracht wäre, in den Keller zu gehen und eine Flasche Wein zu holen. Es ist doch nett, dass er mit Malte, der zwei Stockwerke unter ihm wohnt Kontakt hat. Malte und Sebastian kennen sich aus der Schulzeit. Es ist ein Zufall, dass sie beide in diesem Hochhaus gelandet sind, wo die Atmosphäre an sich sehr anonym ist. Malte hat ihm letzte Woche erzählt, dass die Polizei einige Mitbewohner befragt hätte, weil am hellen Tage eine Wohnung ausgeräumt worden sei und selbst der direkte Nachbar habe es nicht mitbekommen. Man solle Augen und Ohren offen halten. Es sei hilfreich, wenn einer auf den anderen achten würde. Die Diebe und Einbrecher seien immer dreister.

Sebastian geht in den Keller um die besagte Flasche Wein zu holen. Dort sieht er zwei Männer, die mehrere schwere Kisten aus einem anderen Keller räumen. Da es sich um wirklich viele Kisten handelt und die Herren nicht mehr die Jüngsten und auch nicht die Kräftigsten zu sein scheinen, bietet Sebastian Schleichdich seine Hilfe an. ''Hallo, ich trage gern ein paar Kisten, wenn sie Hilfe brauchen?'' Da lacht der ältere der beider freundlich und meint: ''Das ist aber nett. Wir haben den Wagen gleich um die Ecke geparkt. Aber nur, wenn es ihnen wirklich nichts ausmacht.'' ''Nein ich habe ein wenig Zeit. Es ist hier eh alles so anonym. Niemand kümmert sich um den anderen und da ist man doch froh, wenn man helfen kann.'' Sebastian kommt mit den Herren ein wenig ins Gespräch und berichtet ihnen von dem Wohnungseinbruch während er weiter fleißig Kisten zu dessen Transporter schleppt. Die Herren sind entsetzt über so viel Kriminalität. Nach einer Stunde ist der Keller leer. Die Herren bedanken sich bei Sebastian, verabschieden sich und fahren mit dem Transporter, der etwas überladen ist davon. Abschließend meinte einer der beiden Herren noch, dass es heutzutage eine Seltenheit wäre, dass jemand sich die Zeit nähme, anderen zu helfen.

Am Abend sitzen Malte und Sebastian gemütlich bei einer Flasche Wein zusammen. Da klingelt es an der Tür. Sebastian öffnet. Vor sich sieht er zwei Polizisten. ''Guten Abend Herr Schleichdich. Sie haben sicher von den Einbrüchen in letzter Zeit gehört. Heute Mittag ist ein Keller komplett ausgeräumt worden. Wir wollten nur 'mal fragen, ob sie vielleicht etwas davon mitbekommen haben?''

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22. Vergissmeinnicht

Copyright 2024: Beate Biewer-Hellbrück

Heute wirst du 'mal ein wenig vergesslicher sein als normalerweise. Das schaffst du doch Mutter'', fordert Bertha ihre Mutter auf. Berthas Mutter ist inzwischen fünfundneunzig Jahre alt und eigentlich noch sehr rüstig. ''Eine Frau Vergissmeinnicht, ja so heißt sie, hat sich für heute angekündigt. Dein Gesundheitszustand soll über­prüft werden. Du weißt ja, um so schlimmer sie deine Demenz einstuft, desto mehr Geld bekommst du von der Pflegeversicherung.'' ''Ja das bekomme ich schon hin.'' Die Mutter erledigt ihren Haushalt bis auf ein paar Dinge ganz ohne fremde Hilfe.

Am Nachmittag erscheint Frau Vergissmeinnicht, um die Situation zu überprüfen und stellt fest, dass bei der Mutter diese schlimme Krankheit schon weit fortgeschritten ist. Zufrieden über das Ergebnis sind Mutter und Tochter. Sie bekommen mehr Geld bewilligt, als sie dachten.

Nach einiger Zeit meldet sich Frau Vergissmeinnicht wieder zu einem Besuch an. Wiederum ermahnt die Tochter: ''Du weißt ja, wenn Frau Vergissmeinnicht vorbeikommt, so bist Du wieder etwas vergesslicher als sonst.'' ''Ja, ja, alles klar''. Nach einiger Zeit kommt Post von Frau Vergissmeinnicht. Bertha wundert sich über das Ergebnis und meint zu ihrer Mutter: ''Du bekommst ja weniger Geld als das letzte Mal. Hast du nicht genug auf Demenz gemacht?'' Da schaut die Mutter ganz erschrocken und meint: ''Das habe ich ja ganz vergessen.''

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23. Das Treffen

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Das Telefon klingelt. Bertha meldet sich. Da legt am anderen Ende Erna gleich los: "Bertha du musst unbedingt morgen um 11 Uhr zum Café Rollmops kommen. Rudi will, dass wir alle recht­zeitig dort erscheinen. Kannst du den anderen vom Kegelclub Bescheid geben? Es wäre wichtig." Ohne Punkt und Komma sprudelt es weiter aus ihr heraus ….

So kurzfristig wird man da informiert und ich soll auch noch die ganzen Leute anrufen und alles nur, weil Rudi da so eine Idee hat, die er uns dringend mitteilen will, denkt sich Bertha.

Nach zwei Stunden hat sie alle Telefonate erledigt. Es war nicht gerade leicht, Peter Prall davon zu überzeugen, dass er seine Metzgerei extra ein paar Stündchen schließt. Das macht er nur zu Beerdigungen und Hochzeiten und nur dann, wenn ihm diese Menschen besonders am Herzen liegen. Das sind nicht gerade viele. Ihr Friseurtermin hat sie ebenfalls abgesagt. Schließlich hat Erna ihren Arzttermin ebenfalls verschoben.

Am nächsten Morgen steht die gesamte angeforderte Truppe pünktlich um 11 Uhr an Ort und Stelle. "Wieso ist das Café denn geschlossen?, meint Erna. "Keine Ahnung. Aber wer weiß, vielleicht hat es ja was mit dem Café zu tun", gibt Bertha zurück. Mittlerweile ist eine halbe Stunde vergangen und Peter ist richtig sauer. "Ich lasse mich nicht zum Deppen machen. Ich werde jetzt in meine Metzgerei gehen. Ihr könnt mich ja über diese Angelegenheit informieren." Genau in diesem Moment erhält Bertha eine SMS auf ihrem Handy, die sie den Wartenden vorliest. "Treffen fällt aus, habe dringenden Termin, über diese andere Sache muss ich mich selbst erst 'mal schlau machen, Rudi."

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Copyright: Beate Biewer-Hellbrück

Autorin: Beate Biewer-Hellbrück

Datum: 2024-05-03 Fri 09:09

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